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Das schwarze Blut

Titel: Das schwarze Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Nacht war die Verlockung zu stark. Er entschied sich für einen Kompromiss: Wenn er schon über seinen Telefonanschluss ins Netz ging, würde er wenigstens den neuen Computer, Elisabeths Powerbook, benutzen.
    Es dauerte nur eine Minute, bis das Gerät sich hochgefahren hatte.
    Mark rief das Mailprogramm auf und gab Elisabeths Passwort ein. Mit einem Mal kam er wieder zur Vernunft: Er ging völlig unnötige Risiken ein, und das aus reiner Nervosität. Er griff zur Maus, um den Vorgang abzubrechen, bevor die Verbindung stand, – als ihn ein Faustschlag gegen die Brust traf und sein Atem stockte.
    Er hatte Post bekommen.
Von einem unbekannten Absender mit der Adresse »sng@ wanadoo.com«.
    Ein leicht durchschaubarer Code:
»sng« stand für sang: Blut.
»Blut« für »Reverdi«.
Mit zitternder Hand öffnete er die Nachricht, und als er sie las,stand sein Kopf in hellen Flammen:
» Jetzt. Kuala Lumpur. «

DIE REISE
KAPITEL 32
    Mark durchquerte die Duty-Free-Zone des Terminals 2D im Flughafen Roissy-Charles-de-Gaulle. Zigaretten, Alkohol, Süßigkeiten aller Art: die Waren zu Mauern gestapelt, wie zur Vorbereitung auf eine Belagerung. Er entdeckte weitere Läden, durchschritt Parfumschwaden, ignorierte die eleganten Kleider, die elektronischen Geräte, die Geschenkartikel. Er fühlte sich wie in einer Schleusenkammer des Konsums, in der einem die überladenen, zu grell ausgeleuchteten Schaufenster zu kaufen befahlen, zu kaufen, kaufen bis zum Wahnsinn, als wäre es das allerletzte Mal.
    Er ließ sich im Wartesaal nieder, auf dem Schoß den Aktenkoffer mit seinem Computer. Zwei volle Tage hatte er gebraucht, um sich zum Aufbruch zu entschließen. Nach Reverdis Nachricht und ihrer ersten berauschenden Wirkung war er schlagartig wieder nüchtern geworden und hatte sich zum ersten Mal klar gemacht, was tatsächlich auf dem Spiel stand, wenn er jetzt die Reise antrat. Den ganzen Sonntag hatte er gegrübelt. Zeitweise überlief es ihn eiskalt vor Furcht, und er war nahe daran, alles hinzuwerfen. In der nächsten Sekunde aber durchrieselte ihn wieder eine wohltuende Wärme – die Befriedigung, dass er einen gefährlichen Mörder in die Falle gelockt hatte. Was riskierte er denn?
    Was ihm Sorgen machte, war das erste Reiseziel. Warum Malaysia? Wollte Reverdi etwa, dass ihn Elisabeth im Gefängnis von Kanara besuchte? Unmöglich: Das war gegen die Spielregeln, die er selbst aufgestellt hatte. Vielleicht ging es darum, der Spur der Wahrheit in umgekehrter Richtung, vom Schluss her zu folgen: dort, wo für Reverdi alles zu Ende gegangen war.
    Nach und nach würde er sich bis zum Ursprung dieser »Linie« vorarbeiten.
Am Dienstag hatte Mark endlich seinen Entschluss gefasst und sich auf die Warteliste der Malaysian Airlines für den Flug nach Kuala Lumpur am folgenden Tag setzen lassen. Um zehn Uhr vormittags hatte er dann gewagt, von einem Internetcafé in der Nähe sein erstes Mail an Reverdi zu schicken. Er hatte seine Ankunft angekündigt, aber aus einer unerklärlichen Scheu heraus weder die genaue Zeit noch die Flugnummer genannt.
An diesem letzten Tag hatte er eine Antwort erwartet – vergebens. Gewiss würde er in Kuala Lumpur weitere Anweisungen erhalten. Inzwischen war er sicher, dass Reverdi ihn nach Papan im Südwesten des Landes schicken würde, wo er verhaftet worden war … Aus dem Lautsprecher tönte die Stimme der Stewardess: Die Maschine war zum Einstieg bereit.
Er freute sich, das Logo der Malaysian Airlines wiederzusehen – es erinnerte ihn an seine Jahre als reisender Reporter. Dann die Stewardessen, sicher Chinesinnen, deren sehr blasser Teint in ansprechendem Kontrast zu ihrer türkisfarbenen Tracht stand. Die Farben, die lächelnden Mienen: Das alles war schon ein Vorgeschmack auf Asien, anmutig und überaus höflich. Mark machte es sich auf seinem Fensterplatz gemütlich und wurde alsbald von Müdigkeit übermannt. Der Druck auf das Trommelfell beim Abheben tat ein Übriges: Die Maschine hatte noch nicht ihre Flughöhe erreicht, als ihn schon der Schlaf übermannte.
    Als er wieder erwachte, war in der schwach beleuchteten Kabine alles still, nur das leise Zischen des Druckausgleichssystems und das ferne Dröhnen der Motoren waren zu hören. Mark reckte den Kopf und blickte um sich. Die in ihre Decken gewickelten Passagiere glichen riesigen Kokons mit Augenklappen. Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht: Ein scheußlicher Albtraum hatte ihn heimgesucht.
    Mit halblauten Entschuldigungen stand er auf,

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