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Das schwarze Blut

Titel: Das schwarze Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Zimmer betreten, packte er sein Powerbook aus und steckte das Kabel in die Telefonbuchse, um seine Nachrichten abzurufen. Tatsächlich erwartete ihn eine Mail von Reverdi.
    Von: [email protected] Gesendet: 22. Mai 2003 8:23 An: [email protected] Betreff: KUALAMeine Elisabeth, inzwischen wirst du in Kuala Lumpur eingetroffen sein. Eine allzu neue Stadt, in der man sich aber leicht zurechtfindet und seine Gewohnheiten aufnimmt, wie in einem hübschen neuen Apartment.
Zunächst möchte ich dich willkommen heißen und dir viel Glück wünschen. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass es dir gelingt, »unser« Ziel zu erreichen. Aber ich will dich auch noch ein letztes Mal an die Spielregeln erinnern: Du darfst keine Fragen stellen. Du musst zusehen, wie du mit den knappen Informationen, die ich dir geben werde, zurechtkommst. Es darf dir auch kein Irrtum unterlaufen: Bei der geringsten falschen Schlussfolgerung wirst du nie wieder von mir hören. Doch ich bin zuversichtlich: Du hast deine Intelligenz – und deine Entschlossenheit – bereits unter Beweis gestellt. Dein erster Hinweis betrifft den »Weg des Lebens«. In Kuala Lumpur gibt es eine Möglichkeit, die Fotos von Pernille Mosensen ausfindig zu machen – ich spreche natürlich von den Bildern »nach« ihrer Verwandlung. Finde diese Fotos, Elisabeth, und sieh sie dir genau an.
Dann wirst du den Weg des Lebens erkennen.
Den Verlauf, den ER in der Nacktheit des Körpers nimmt. Aber Vorsicht, du musst dir Bilder des gewaschenen Körpers ansehen. Er muss völlig sauber sein. Davon hängt alles ab. Die Wahrheit zeigt sich erst auf der Reinheit der Haut. Viel Glück.
    Mark kam es vor, als wäre die Temperatur in dem klimatisierten Raum um mehrere Grad gesunken. Nun hatte das Spiel also begonnen. Wie viel Zeit blieb ihm? Reverdi hatte keine Frist genannt. Aber Mark wusste, dass er sich beeilen musste. Um Elisabeths Tüchtigkeit zu beweisen. Um das Interesse seines Korrespondenten anzustacheln.
    Er dachte über seine erste Aufgabe nach, die wohl darin bestand, die gerichtsmedizinische Akte von Pernille Mosensen mit den Aufnahmen der Leiche ausfindig zu machen. Anscheinend befand sich diese Akte in Kuala Lumpur. Doch der Tatort war Papan, und das Ermittlungsverfahren fand in Johor Baharu statt, der Hauptstadt der Provinz Johor.
    Er griff zum Telefon und rief seine Kontaktperson im örtlichen Büro der AFP an, eine Journalistin namens Sana. Nachdem er ihr kurz die Gründe seiner Anwesenheit in Kuala Lumpur dargelegt hatte – ein Exklusivbericht über den Mord in Papan –, kam er gleich auf die Autopsie zu sprechen. Sana bestätigte seine Befürchtungen: Für die Ermittlungen war ausschließlich Johor Baharu zuständig. »Keine Chance, auch in KL irgendwelche Unterlagen aufzutreiben?« Sana stieß ein verhaltenes Gelächter aus, das ihn an Pisai, die Journalistin der Phnom Penh Post, erinnerte. Angesichts der Tragweite des Falls, sagte sie, sei ein Expertenkomitee ernannt worden, zu dem auch Mustafa Ibn Alang gehöre, ein berühmter Gerichtsmediziner aus Kuala Lumpur, mit einer eigenen Kolumne in der News Straits Times. Eine schillernde Persönlichkeit »mit ziemlich großer Klappe«. Das war sein Mann: Mark notierte sich Adresse und Telefonnummer, versprach der Journalistin, sie vor seiner Abreise zum Essen einzuladen, und beendete das Gespräch.
    Sofort wählte er die Nummer des Gerichtsmediziners; es meldete sich, wie nicht anders zu erwarten, der Anrufbeantworter. In seinem tiefsten, seriösesten Ton bat er um ein Interview und hinterließ die Telefonnummer des Hotels.
    Er legte auf. Die Würfel waren gefallen. Offiziell befand er sich wegen einer Reportage in Kuala Lumpur. Sein Name würde am Rand des Falls auftauchen. Geriet sein Manöver dadurch in Gefahr? Nein. Das war ja das Perfide an seinem Betrug: Elisabeth Bremen empfing die ersten Hinweise, und Mark Dupeyrat recherchierte für seine Reportage … Nach einer lauwarmen Dusche legte sich seine Aufregung und wich der leichten Übelkeit, mit der er stets auf den Jetlag reagierte. Er ließ sich aufs Bett fallen und schaltete den Fernseher ein. Andere Ausblicke gab es hier nicht: Sein winziges Zimmer hatte kein Fenster.
    Er zappte sich durch die Programme. Ein Kaleidoskop der verschiedenen Gegebenheiten im Land zog an ihm vorüber. Ein Sender zeigte eine Ratssitzung der Sultane: Ordensgeschmückte Männer mit Gesichtern wie dunkles Gold, angetan mit schillernden Turbanen und Seidengewändern, saßen um einen ovalen Tisch.

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