Das schwarze Blut
er sein schallendes Gelächter an. Mit der weißen Zahnreihe, die quer in seinem dunklen Gesicht klaffte, erinnerte er an eine aufplatzende Kokosnuss. Mit einem Schlag verwandelte sich sein hinterhältiger, verschlagener Gesichtsausdruck in eine offene, stolze, strahlende Miene, und Mark fiel die Charakterisierung der Journalistin wieder ein: »eine schillernde Persönlichkeit«. Ja, das war zweifellos einer der Stars von KL. Dann begann der Boden zu beben.
»Das Match fängt an. Hast du Lust auf ein Bier im ClubHouse?«
Das Club-House war eine lange erhöhte Terrasse unter einem Dach aus Palmwedeln, deren Mittelpunkt eine Tropenbar aus dunklem Holz war. Es roch intensiv nach sonnengewärmtem Bier.
Auf dem Pologelände in der Ferne stürmten die Reiter alle wild in eine Richtung davon und kamen bald darauf gemächlich zurück, als hätte sich ihr momentaner Zorn wieder gelegt. Mark trat auf die Tribüne zu. Auf die Entfernung kamen ihm die Pferde wie kleine, halb gelutschte Karamellbonbons vor und die Spieler wie hin und her schießende weiße Partikel. Über ihnen spannte sich ein grandioser Himmel mit lang gestreckten Wolken in Violett, Rot und Silber, die sich am Horizont räkelten wie träge Prinzessinnen am Ufer eines Seerosenteichs.
Alang kam mit zwei Bierkrügen zurück. Er machte Mark mit einigen Anwesenden bekannt, betagten Aristokraten, Papasöhnchen, die in ihren Lederjacken wild und gefährlich wirken wollten, schönen Chinesinnen, die sehr sexy waren in ihrer wildledernen Polokluft. Muskulös und schweißüberströmt, waren sie das genaue Gegenteil der wenigen Malaiinnen, die verschleiert, dick und reglos dasaßen, trotzig Süßigkeiten in den Mund schoben und das Match ostentativ ignorierten.
Mark warf einen Blick auf die Uhr – schon eine Stunde vorbei. Er war ein erfahrener Interviewer, der auf den ersten Blick erriet, welchen Typ Gesprächspartner er vor sich hatte, den unverbesserlichen Schwätzer, der einen mit überflüssigen Details zuschüttet, den Schweigsamen, dem man jedes Wort aus der Nase ziehen muss, oder den Meister des Umwegs, der Stunden braucht, um endlich zur Sache zu kommen. Zur letzten Kategorie gehörte Alang. Das Interview drohte sich die halbe Nacht hinzuziehen. Wie um seine Befürchtungen zu bestätigen, fragte der Gerichtsmediziner:
»Hast du schon gegessen?«
Halb tot vom Jetlag, hoffte Mark auf ein diskretes und abgelegenes kleines Restaurant europäischen Stils, doch Alang führte ihn ins Hardrock-Café mitten in der Innenstadt. Dort herrschte bei Dämmerlicht und durcheinander gewirbelten Schwaden von Barbecuesoße ein ohrenbetäubender Lärm.
Sie setzten sich in eine Box, die mit Rocktrophäen – der Gitarre von Eric Clapton, der Brille von Elton John, dem Spenzer von Madonna – geschmückt war. Mark sah sich ungläubig um. Mit roter Schürze und Bleistift hinter dem Ohr, Berge von Tacos und Cheeseburgern balancierend, rannten die Kellner zwischen den Tischen hin und her. Die Kundschaft war sehr unterschiedlich: lärmende Jugendliche in amerikanischen Klamotten, verschleierte Mütter, die über Horden schon jetzt übergewichtiger Schüler herrschten, hagere Europäer, die spöttische Blicke zur Bar hinüberwarfen.
Denn dort fand das eigentliche Spektakel statt, die Vorführung junger Frauen, die viel zu aufreizend waren, um anständig zu sein. Chinesinnen, Thailänderinnen, Birmaninnen, Inderinnen … Kupfer-, bronze-, porzellanfarbene Haut, Augen, die den asiatischen Zuschnitt endlos variierten, und Körper von exquisiter Geschmeidigkeit, die zu den guten alten FM-Hits die Hüften schwangen.
»Die stehen nicht auf der Karte.«
Mark wandte sich zu Alang um. Die Musik ließ Gläser undTeller beben.
»Was?«
»Die stehen nicht auf der Karte, sage ich. Aber zum Dessertkann ich sie ansprechen.«
Mark fühlte sich erröten. Er vertiefte sich in die Speisekarte. »Wie alt bist du eigentlich?«, brüllte der Gerichtsmediziner. »Vierundvierzig.«
»Ich sechsundvierzig. Stehst du auf Rock?«
»Was?«
Mark verstand immer nur die Hälfte. Alang rückte näher. SeinBlick funkelte verschmitzt.
»Weißt du, was wir da hören?«
» Sweet Home Alabama. Lynyrd Skynyrd.«
»Nicht schlecht. Und weißt du auch, was aus ihnen gewordenist?«
»Die Hälfte der Band ist bei einem Flugzeugabsturz umgekommen, 1977.«»Aha, ich hab es offensichtlich mit einem Kenner zu tun. Ich bin nämlich ein Rockmusik-Fan. Ich schreibe an einer Enzyklopädie für Südostasien, auf Englisch.«Mark
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