Das schwarze Blut
Ein anderer Sender ließ einen chinesischen Meisterkoch zu Wort kommen, der mit breitem Grinsen daran erinnerte, dass alles, was in Malaysia konsumiert, gekauft und verkauft werde, chinesisch sei. Ein dritter Sender brachte Bilder von einem glanzvollen Fest, auf dem sich luxuriöse Eurasierinnen in hautengen Dior- und Gucci-Kleidern unter Frauen im tudung, dem malaiischen Schleier, mischten.
Das Läuten des Telefons riss ihn aus einem schwarzen Abgrund empor: Er war eingeschlafen. Auf dem Fernsehschirm schickten sich schurkisch wirkende Piraten an, ein englisches Schiff zu entern.
»Hallo?«
»Mordupero?«
» What? «
»Mister Mordupero?«
Mark erkannte endlich seinen Namen. Der Wecker auf demNachttisch zeigte siebzehn Uhr zehn. Er hatte mehr als drei Stunden geschlafen.
»Ja, am Apparat«, antwortete er auf Englisch.
»Doktor Alang. Sie haben mir eine Nachricht hinterlassen.« Der Akzent war schleppend, fast amerikanisch. Wie elektrisiert fuhr Mark auf und schaltete die Klimaanlage aus, die einen Höllenlärm veranstaltete. Dann stellte er sich und sein Anliegen vor und schloss mit der nochmaligen Bitte um ein Interview.
»Da sind Sie nicht der Erste, Mann.«
»Ich weiß, aber …«
»Das Ermittlungsverfahren läuft. Ich kann Ihnen nichts sagen.«
»Natürlich nicht, aber …«
Doktor Alang lachte schallend:
»Treffen können wir uns ja trotzdem. Ich erwarte Sie im PoloClub von Sengora.«
»Wie bitte?«
Doktor Alang buchstabierte in Windeseile den Namen des Clubs.
»Bis gleich, Mann.«
Mark blieb keine Zeit für eine Antwort: Der andere hatte bereits aufgelegt.
KAPITEL 34
Kuala Lumpur schimmerte rosenrot und zartblau im Abendlicht. Die tief stehende Sonne ließ einzelne Türme in sanftem Feuer wie ein Mosaik aus glühenden Kohlen leuchten, während andere, aus durchscheinendem Grün, im Begriff schienen, sie mit ihrer kühlen Frische zu löschen.
Mark hatte dem Chauffeur den Namen des Polo-Clubs genannt, so gut er ihn eben verstanden hatte. Sein Blick blieb an den Petronas-Türmen hängen, auf die sie zufuhren. Auf die Entfernung erinnerten sie ihn an zwei gigantische Maiskolben am Horizont, aus denen kolossale Antennen hervorspießten. Sie fuhren an einem Hippodrom entlang. Die Stimmung wurde immer unwirklicher. Alles schien mit Goldsprengsein und rosigem Dunst überzogen. Das Merkwürdigste aber war, dass aller Kontrast zwischen den bläulichen Gebäuden und den grünen Hügeln schwand: Um diese Stunde tauschten Natur und Menschenwerk ihre Farben aus wie zwei Flüssigkeiten, die sich miteinander mischten – die Wolkenkratzer nahmen eine pflanzliche Färbung an, und aus den Wäldern blitzten Lichtreflexe, schillerten Wasserflächen aus reinem Silber.
Das Taxi hielt neben einer Baumreihe. Mark fand sich in einer Art Pampa wieder: Er stand vor einem riesigen Pferch, an dessen Holzumzäunung auf einem Schild im Wildweststil der Name des Polo-Clubs stand. Dahinter standen mehrere Blockhütten im grauen Staub, zwischen denen hier und dort das grüne Spielfeld sichtbar wurde.
Er betrat die Einfriedung. Seine Füße versanken im Sand, und in der Luft hing der Geruch nach Mist und Pferdeschweiß. Trotz des Gestanks und des heruntergekommenen Zustands der Ställe spürte Mark, dass er hier in der Welt der Wohlhabenden war. Er entdeckte eine überdachte Reitbahn, auf der sich Kinder in Ralph-Lauren-Polohemden in die Steigbügel stemmten, sah Boxen mit unruhig stampfenden Vollblütern, deren Hufe mit Lappen umwickelt waren. Regelrechte Künstlerlogen. Wo war bloß die Bühne?
»Bist du der Frenchie? «Mark drehte sich um. Aus einem Stall kam ein kleiner, schmalschultriger Mann im weißen Kittel auf ihn zu: lange schwarze Haare und ein hängender Schnauzbart wie ein mexikanischer Bandit. Im Näherkommen zog er seine blutigen Latexhandschuhe aus.
»Alang.« Er drückte ihm die Hand. » Hi, man. «Mustafa Ibn Alangs Aussehen passte zu seiner Stimme. Er war ein reiner Malaie der modernen Version: goldbraune Haut, hinterhältige Züge, ein scharfer Blick aus schwarzen Augenunter buschigen Brauen. Einmalig aber war seine Frisur: vorn zu Berge stehend, hinten eine lange, ölige Mähne: Alang ähnelte einem Rocker aus den siebziger Jahren, Modell »Glitter«. Er stopfte seine Handschuhe in die Taschen seines ebenfalls blutigen Kittels.
»Ich mache Überstunden«, erklärte er mit seinem schleppenden Akzent. »Heute brechen wir den Jungpferden die Kiefer, fürs Polo. Ist mal eine Abwechslung zu den Leichen.«Wieder stimmte
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