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Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
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Racine bis La Riviere.«
    Dicht vor dem Fahrrad tut sich im Plankenweg ein strudelndes Loch auf. Es weitet sich wie ein erstauntes Auge. Es wird zusehends größer, und Jack hechtet hinein. Das ist der Weg zurück. Der einzige Ausweg. Die verächtliche Stimme verfolgt ihn.
    »So ist’s recht, Wichser«, sagt sie. »Lauf! Renn vor dem Abbalah weg! Renn vor dem König weg! Lauf um dein kümmerliches beschissenes Leben!« Die Stimme bricht in Lachen aus, und der Klang dieses irren Gelächters folgt Jack Sawyer ins Dunkel zwischen Welten hinab.
     
    Stunden später steht Jack nackt an seinem Schlafzimmerfenster, kratzt sich geistesabwesend am Hintern und beobachtet, wie der Himmel im Osten rosig hell wird. Er ist seit vier Uhr wach. Er kann sich an nicht allzu viel aus seinem Traum erinnern (seine Widerstandskraft mag nachlassen, aber sie ist selbst jetzt noch nicht ganz erschöpft), aber er hat genug im Gedächtnis behalten, um eines sicher zu wissen: Der Tote auf der Santa Monica Pier hat ihn so sehr erschüttert, dass er seinen Beruf aufgegeben hat, weil er ihn an jemanden erinnerte, den er früher gekannt hat.
    »Das alles ist nie passiert«, erklärt er dem anbrechenden Tag in geheuchelt geduldigem Tonfall. »Ich hatte irgendeinen durch Stress ausgelösten juvenilen Zusammenbruch. Meine Mutter glaubte, sie hätte Krebs, sie hat sich mich geschnappt, und wir sind bis an die Ostküste geflüchtet. Bis nach New Hampshire. Sie dachte, sie müsste an einen Ort zurück, an dem sie einmal glücklich war, um dort zu sterben. Wie sich rausgestellt hat, war das größtenteils Einbildung, die gottverdammte Midlifecrisis einer Schauspielerin, aber was versteht ein Junge schon davon? Ich war im Stress. Ich habe viel geträumt.«
    Jack seufzt.
    »Ich habe geträumt, ich hätte meiner Mutter das Leben gerettet.«
    Das Telefon hinter ihm klingelt. In dem dämmrigen Raum klingt dieser Ton schrill und gebrochen.
    Jack Sawyer schreit auf.

    »Ich habe Sie geweckt«, sagt Fred Marshall, und Jack weiß sofort, dass dieser Mann die Nacht durchwacht, dass er in seinem frauenlosen, sohnlosen Haus gesessen hat. Vielleicht in Fotoalben blätternd, während der Fernseher lief. In dem Bewusstsein, dass er damit Salz in seine Wunden rieb, aber außerstande, damit aufzuhören.
    »Nein«, sagt Jack, »ich war gerade …«
    Er verstummt. Das Telefon steht neben dem Bett, und neben dem Telefon liegt ein Notizblock. Auf diesen Block ist etwas gekritzelt. Da Jack allein im Haus ist, muss er es geschrieben haben – beschissen elementar, mein lieber Watson -, aber das ist nicht seine Schrift. Irgendwann in seinem Traum hat er diese Zeilen in der Handschrift seiner toten Mutter zu Papier gebracht:
    Der Turm. Die Balken. Wenn die Balken
brechen, Jacky-Boy, wenn die Balken brechen und
der Turm einstürzt
    Das ist alles. Sonst gibt es nur den armen alten Fred Marshall, der entdeckt hat, wie schnell das idyllischste Leben im Mittleren Westen zu einem Albtraum werden kann. Jacks Mund hat versucht, ein paar Dinge zu sagen, während sein Verstand mit dieser Fälschung aus seinem Unterbewusstsein beschäftigt war – wahrscheinlich nicht sehr vernünftige Dinge -, aber das stört Fred nicht; er leiert einfach ohne die Sprechpausen und Stimmsenkungen weiter, die Leute normalerweise benützen, um das Ende von Sätzen oder den Beginn neuer Gedanken zu bezeichnen. Fred spricht sich einfach aus, schüttet sein Herz aus, und Jack erkennt selbst in seinem eigenen verzweifelten Zustand, dass Fred Marshall aus dem Haus Robin Hood Lane Nr. 16, diesem entzückenden, scheinbar direkt aus Neuengland importierten Häuschen, allmählich am Ende seiner Kraft angelangt ist. Gibt es für ihn nicht bald eine Wende zum Besseren, braucht er seine Frau nicht mehr auf Station D im French County Lutheran zu besuchen; dann teilen die beiden sich dort ein Zimmer.
    Fred spricht von ihrem geplanten Besuch bei Judy, das begreift Jack jetzt. Er versucht nicht mehr, ihn zu unterbrechen,
sondern hört einfach zu und starrt dabei stirnrunzelnd auf die Zeilen hinunter, die er geschrieben hat. Turm und Tragebalken. Was für Balken? Bohlen? Kanthölzer? Riegel? Sparren? Hebt den Dachbalken hoch, Zimmerleute?
    »… weiß dass ich gesagt habe ich würde Sie um neun abholen aber Dr. Spiegleman das ist ihr Arzt dort oben Spiegleman heißt er hat gesagt dass sie eine schlimme Nacht hinter sich hat in der sie viel geschrien und gekreischt und versucht hat die Tapete abzureißen und zu essen und

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