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Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
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komplizierte Schlingen in einer übergroßen Kinderschleife enden. In der oberen rechten Ecke kleben Briefmarken, zehn oder zwölf Stück, die verschiedene Vögel zeigen. (Keine Rotkehlchen, wie Jack mit verständlicher Erleichterung feststellt.) Irgendwas ist mit diesen Briefmarken nicht in Ordnung, aber was es ist, kann Jack nicht gleich feststellen. Er ist zu sehr auf die Anschrift fixiert, die spektakulär nicht in Ordnung ist. Sie enthält keine Postfachnummer, keine Landzustellnummer, keine Postleitzahl. Eigentlich nicht mal einen Namen . Die Anschrift besteht aus einem einzigen, in großen Druckbuchstaben hingekritzelten Wort:
    JACKY
    Während Jack diese krummen Buchstaben betrachtet, stellt er sich eine zur Faust geballte Hand vor, die einen Filzschreiber umklammert; zusammengekniffene Augen; eine Zungenspitze, die aus dem Mundwinkel eines Irren ragt. Seine Pulsfrequenz hat sich verdoppelt. »Das gefällt mir nicht«, flüstert er heiser. »Das gefällt mir ganz und gar nicht.«

    Und natürlich gibt es sehr gute Gründe, Schutzmann-Gründe, so zu reagieren. Das Päckchen ist ein Schuhkarton; er kann denn Deckel durch das braune Papier hindurch ertasten, und es wäre nicht das erste Mal, dass ein Irrer eine Bombe in einen Schuhkarton gepackt hat. Er wäre verrückt, wenn er das Päckchen öffnen würde, aber er ahnt bereits, dass er’s trotzdem tun wird. Fliegt er dabei in die Luft, kann er sich wenigstens aus den Ermittlungen in Sachen Fisherman-Morde verabschieden.
    Jack hebt das Päckchen ans Ohr, um zu hören, ob es tickt, obwohl er sich darüber im Klaren ist, dass tickende Bomben so veraltet sind wie Betty-Boop-Cartoons. Er hört nichts, aber er sieht jetzt, was mit den Briefmarken, die gar keine Briefmarken sind, nicht in Ordnung ist. Jemand hat die Bilder auf den Vorderseiten von etwa einem Dutzend Zuckerpäckchen aus einer Cafeteria sorgfältig ausgeschnitten und auf den verpackten Schuhkarton geklebt. Jack entfährt ein grunzendes humorloses Lachen. Dieses Päckchen hat ihm wirklich ein Irrer geschickt. Irgendein Verrückter in einer geschlossenen Anstalt, der leichter Zugang zu Zuckerpäckchen als zu Briefmarken hat. Aber wie ist es hergekommen? Wer hat es (ohne die nachgemachten Briefmarken zu entwerten) vor seiner Haustür abgelegt, während er seine wirren Träume geträumt hat? Und wer kann ihn in diesem Teil der Welt überhaupt als Jacky kennen? Seine Jacky-Tage liegen weit hinter ihm.
    Nein, das tun sie nicht, Travellin’ Jack, flüstert eine Stimme. Noch längst nicht. Es wird Zeit, dass du mit deinem Gejammer aufhörst und dich an die Arbeit machst, Boy. Fang gleich damit an, indem du nachsiehst, was in dem Karton ist.
    Jack ignoriert entschlossen seine innere Stimme, die ihn warnt, dass er etwas gefährlich Dummes tut, zerreißt die Schnur und benützt den Daumennagel, um die schlampigen Siegelwachsklumpen zu zerteilen. Wer verwendet heutzutage überhaupt noch Siegelwachs? Er legt das Packpapier beiseite. Vielleicht ist das etwas für die Spurensicherer.
    Der Karton ist nicht nur Schuhkarton, sondern ein Sportschuhkarton. Genauer gesagt ein Karton für Laufschuhe der Marke New Balance. Größe 34. Eine Kindergröße. Bei diesem Anblick steigt Jacks Pulsfrequenz aufs Dreifache. Er spürt,
dass ihm kalte Schweißperlen auf die Stirn treten. Kehle und Schließmuskel verkrampfen sich gleichzeitig. Auch das ist eine vertraute Reaktion. So bereiten Schutzleute sich innerlich auf einen schrecklichen Anblick vor. Und der hier wird schrecklich sein. Daran zweifelt Jack so wenig, wie er daran zweifelt, dass er weiß, von wem die Sendung stammt.
    Das ist meine letzte Chance, einen Rückzieher zu machen, denkt er. Danach heißt es: Alles einsteigen!, und auf geht’s ins … ins Ungewisse.
    Aber selbst das ist gelogen, das weiß er. Dale erwartet ihn gegen Mittag auf der Polizeistation in der Sumner Street. Fred Marshall kommt um drei Uhr her, und sie werden die Verrückte Hausfrau aus der Robin Hood Lane besuchen. Der Punkt, an dem er noch hätte aussteigen können, liegt längst hinter ihm. Jack weiß noch immer nicht recht, wie das gekommen ist, aber er scheint wieder im Dienst zu sein. Und falls Henry Leyden die Frechheit besitzt, ihm dazu zu gratulieren, kann es passieren, dass Jack ihm in den blinden Hintern tritt.
    Aus den Dielenbrettern von Jacks Vernunft steigt wie ein Pesthauch die flüsternde Stimme aus seinem Traum auf – Ich verstreu deine Eingeweide von Racine bis La Riviere -, aber

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