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Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
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fliegenden Menschen; keine zweiköpfigen Papageien; keine Werwölfe. Alles das war »Seabrook-Island-Zeug«, eine Neurose, mit der er sich von seiner Mutter hatte anstecken lassen und von der einige Zeit sogar Richard befallen wurde. Alles nur … ba-haaaa … Scheiß, den er sich einbildet.
    Obwohl er das akzeptiert, weiß er zugleich, dass es wirklich Scheiß wäre, nicht zu glauben, was ihn auf allen Seiten umgibt. Der Geruch des Grases, jetzt so stark und süß, der sich mit
dem blumigeren Duft des Klees und dem kräftigeren Bassoprofundo-Geruch der schwarzen Erde mischt. Das unaufhörliche schrille Zirpen der Grillen, die im Gras ihr gedankenloses Grillenleben leben. Die flatternden weißen Wiesenfalter. Das makellose Blau des Himmels, das durch keine einzige Stromoder Telefonleitung, durch keinen einzigen Kondensstreifen entstellt wird.
    Was Jack jedoch am tiefsten beeindruckt, ist die Unberührtheit der weiten Wiesenfläche um ihn herum. Er sieht den Kreis, wo er auf die Knie gefallen ist, wo das taunasse Gras niedergedrückt ist. Aber es gibt keinen Pfad, der zu diesem Kreis führt , keine Fußspur im nassen, empfindlichen Gras. Man könnte glauben, er sei vom Himmel gefallen. Das ist natürlich unmöglich, wieder Seabrook-Island-Zeug, aber …
    »Ich bin aber gewissermaßen vom Himmel gefallen«, sagt Jack mit bemerkenswert fester Stimme. »Ich bin aus Wisconsin hergekommen. Ich bin hierher geflippt.«
    Dagegen protestiert Richards Stimme nachdrücklich, indem sie mit einem Schauer von Humpfs und Ba-haaas explodiert, aber Jack nimmt sie kaum wahr. Das ist nur der gute alte Rationale Richard, dessen Stimme in seinem Kopf erklingt. Richard hatte einst Zeug dieser Art durchlebt und war am anderen Ende mit mehr oder weniger intaktem Verstand rausgekommen … aber damals war er zwölf gewesen. In jenem Herbst waren sie beide zwölf gewesen, und in diesem Alter sind Geist und Körper noch elastischer.
    Jack hat sich langsam im Kreis gedreht, aber nichts gesehen außer weiten Feldern (über denen der Morgennebel jetzt mit zunehmender Tageserwärmung zu einem leichtem Dunst wird) und den blaugrauen Wäldern dahinter. Nun sieht er etwas anderes. Im Südwesten verläuft etwa eine Meile entfernt eine unbefestigte Straße. Hinter ihr am Horizont oder vielleicht knapp dahinter steigt eine kleine Rauchwolke in den makellos blauen Sommerhimmel auf.
    Keine Holzöfen, sagt Jack sich, nicht im Juli, aber vielleicht kleine Werkstätten. Und …
    Dann hört er eine Dampfpfeife – drei lange Pfeifsignale, die schwach aus der Ferne herüberhallen. Das Herz scheint ihm
in der Brust anzuschwellen, und seine Mundwinkel gehen zu einer Art hilflosem Grinsen in die Höhe.
    »Dort liegt der Mississippi, bei Gott«, sagt er, und um ihn herum scheinen die Wiesenfalter in zartem Filigran ihre Zustimmung zu tanzen. »Das ist der Mississippi oder wie immer sie ihn hier drüben nennen. Und das Pfeifsignal, Freunde und Nachbarn …«
    Zwei weitere Pfeifsignale hallen durch den beginnenden Sommertag. Gewiss, die Entfernung schwächt sie ab, aber aus der Nähe wären sie gewaltig laut. Das weiß Jack.
    »Das ist ein Riverboat. Ein verdammt großes. Vielleicht ein Schaufelraddampfer.«
    Jack beginnt in Richtung Straße zu gehen und redet sich dabei ein, dies alles sei ein Traum; davon glaubt er zwar kein Wort, aber er benützt es wie ein Seiltänzer seine Balancierstange. Nachdem er etwa hundert Meter zurückgelegt hat, dreht er sich um und sieht zurück. Von seinem Landeort zieht sich eine dunkle Linie durchs Timotheusgras bis zu der Stelle, wo er jetzt steht. Das ist seine Fußspur. Seine einzige Spur. Weit links von ihm (nun schon fast hinter ihm) stehen Scheune und Windmühle. Das sind mein Haus und meine Garage, denkt Jack. Zumindest sind sie das in der Welt von Chevrolets, Nahostkonflikten und der Oprah-Winfrey-Show.
    Er geht weiter und hat die Straße fast erreicht, als ihm auffällt, dass es im Südwesten mehr als nur Rauch gibt. Von dort kommen auch irgendwelche Vibrationen. Sie hämmern auf seinen Kopf ein wie eine beginnende Migräne. Und sie sind eigentümlich variabel. Steht er so, dass er genau nach Süden blickt, ist das unangenehme Pulsieren schwächer. Wendet er sich nach Osten, ist es verschwunden. Im Norden ist es beinahe verschwunden. Dreht er sich dann weiter, schwillt es wieder zu voller Stärke an. Seit er auf die Vibrationen aufmerksam geworden ist, sind sie schlimmer als zuvor, wie das Summen einer Fliege oder das

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