Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus
sofort, dass der Fisherman auch anderswo tätig gewesen ist. Hoffentlich nicht wieder ein ermordetes Kind, denkt er. Bitte nicht schon wieder eines. »Wieso bist du mit Henry zusammen? Hast du auch Fred Marshall im Wagen?«
Jack erzählt ihm, dass der ursprüngliche Plan sich geändert hat, und will fortfahren, aber Dale unterbricht ihn.
»Ich möchte, dass du alles liegen und stehen lässt und sofort zu dem ehemaligen Schnellimbiss Ed’s Eats and Dawgs in der Nähe von Goltz’s rauskommst. Henry kann dir helfen, den zu finden. Der Fisherman hat uns angerufen, Jack. Er hat unter der Notrufnummer angerufen. Hat uns mitgeteilt, dass Irma Freneaus Leiche dort draußen liegt. Na ja, vielleicht nicht ausdrücklich, aber er hat ›sie‹ gesagt.«
Dale stammelt nicht gerade, aber doch beinahe. Das nimmt Jack wahr, wie ein guter Kliniker die Symptome eines Patienten registrieren würde.
»Ich brauche dich, Jack. Ich bin wirklich …«
»Dorthin sind wir ohnehin unterwegs«, sagt Jack ruhig, obwohl sie im Augenblick nicht fahren, sondern nur auf dem Seitenstreifen stehen, während auf dem Highway gelegentlich ein Auto an ihnen vorbeizischt.
»Was?«
In der Hoffnung, dass Dale und Henry die Vorzüge der digitalen Technik richtig einschätzen, berichtet Jack dem Polizeichef von French Landing von der Sendung, die er am heutigen Morgen erhalten hat, und ist sich dabei bewusst, dass Henry, der weiter aus dem Fenster zu sehen scheint, sehr aufmerksam zuhört. Er erzählt Dale allerdings, Ty Marshalls Baseballmütze habe auf dem Schuhkarton mit den Federn und Irmas Fuß gelegen.
»Heilige …«, sagt Dale außer Atem. »Heilige Scheiße!«
»Sag mir, was du bislang vorhast«, sagt Jack, und Dale erzählt es ihm. Es klingt vernünftig – zumindest bisher -, nur gefällt Jack die Sache mit Arnold Hrabowski nicht. Er schätzt den Verrückten Ungarn als einen Kerl ein, der sich nie als richtiger Cop wird verhalten können, selbst wenn er sich größte Mühe gibt. Mit solchen Blindgängern hat er in seiner
Dienstzeit beim LAPD genügend schlechte Erfahrungen gemacht.
»Dale, was ist mit dem Telefon im 7-Eleven?«
»Das ist ein Münztelefon «, sagt Dale, als würde er mit einem Kind reden.
»Richtig, und an dem könnten Fingerabdrücke sein«, sagt Jack. »Das heißt, es sind bestimmt Milliarden von Fingerabdrücken daran, aber die Spurensicherer können die frischesten isolieren. Ganz leicht . Der Typ könnte Handschuhe getragen haben, aber vielleicht hat er auch keine getragen. Übrigens, immer wenn er Mitteilungen und Visitenkarten hinterlässt und an die Eltern schreibt, ist er zu Phase zwei übergegangen. Morde allein genügen ihm nicht mehr. Und jetzt will er dich also herausfordern, will mit dir spielen. Vielleicht wünscht er sich insgeheim sogar, gefasst und gestoppt zu werden – wie damals der ›Son of Sam‹.«
»Das Telefon, frische Fingerabdrücke am Telefon.« Dales Stimme klingt geradezu gedemütigt, und Jack hat sofort Mitleid mit ihm. »Jack, ich schaff’s nicht allein. Ich komme nicht allein zurecht.«
Dazu äußert Jack sich lieber nicht. Stattdessen sagt er: »Wen kannst du losschicken, damit er sich ums Telefon kümmert?«
»Dit Jesperson und Bobby Dulac, würde ich mal sagen.«
Bobby ist viel zu gut, findet Jack, als dass man ihn lange zum 7-Eleven am Stadtrand abordnen dürfte. »Sie sollen das Telefon vorerst nur mit Absperrband sichern und mit dem Mann an der Theke reden. Anschließend können sie zum Tatort nachkommen.«
»Okay.« Dale zögert, dann stellt er eine Frage. Das Eingeständnis seiner Niederlage, die daraus spricht, und seine fast völlige Kapitulation machen Jack niedergeschlagen. »Sonst noch was?«
»Hast du die State Police angerufen? Die County? Ist der FBI-Mann verständigt? Dieser Kerl, der sich einbildet, wie Tommy Lee Jones auszusehen?«
Dale zieht die Nase hoch. »Äh … also, ich wollte mit den Benachrichtigungen noch eine Weile warten.«
»Gut«, sagt Jack, und die primitive Befriedigung in seiner
Stimme bringt Henry dazu, den blinden Blick von der Landschaft abzuwenden und stattdessen seinen Freund mit hochgezogenen Augenbrauen zu betrachten.
Wir wollen uns nochmals erheben – auf Flügeln wie Adler, wie Reverend Lance Hovdahl, der lutherische Pastor von French Landing vielleicht sagen würde -, um dem schwarzen Band des Highways 93 in Richtung Stadt folgend vorauszufliegen. Wir erreichen die Route 35 und biegen dort rechts ab. Im Vordergrund liegt auf
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