Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus
Edward R. Murrow der Gegenwart, aber er ist seit fast dreißig Jahren Reporter und hat in dieser Zeit gewisse Instinkte entwickelt. Der Geistesblitz, der sich durch seine Gedankenbahnen windet, löst eine Folge sich wellenartig ausbreitender Alarmsignale aus, die schließlich in sein Bewusstsein vordringen. Wendell kapiert endlich – er erkennt den verborgenen Plan; er begreift, was hier vorgeht.
»Teufel auch!«, sagt er, hupt breit grinsend, reißt das Lenkrad nach links und schafft es gerade noch, mit nur minimalen Schäden an seiner Stoßstange und der seines Vordermanns aus der Kolonne auszuscheren. »Du hinterlistiger Hundesohn«, sagt Wendell vor Entzücken fast kichernd. Der Toyota quetscht sich aus der nach Osten orientierten Autoschlange und rollt auf die Fahrspuren nach Westen hinüber. Dann nimmt er scheppernd und furzend die Verfolgung der listigen Biker auf.
Wendell Green wird also doch nicht durch Maisfelder kriechen müssen: Dieser hinterlistige Hundesohn Beezer St. Pierre weiß einen Schleichweg zum Ed’s Eats! Unser Starreporter
braucht nur weit genug zurückzubleiben, um außer Sichtweite zu sein, dann bekommt er einen Freifahrschein zum Tatort. Wunderbar. Ah, welche Ironie doch darin liegt: Beezer ist der Presse behilflich … Vielen Dank, du arroganter Rowdy! Er nimmt nicht an, dass Dale Gilbertson ihn ungehindert herumschnüffeln lassen wird, aber es wird weit schwieriger sein, Wen dell zu vertreiben, als ihm nur den Zutritt zu verwehren. In der Zeit, die er dann dort hat, kann er ein paar bohrende Fragen stellen, ein paar aussagekräftige Fotos knipsen und vor allem genügend Atmosphäre aufsaugen, um eines seiner legendären »Stimmungsbilder« zu entwerfen.
Wendell dackelt den Bikern mit achtzig Sachen frohgemut den Highway hinterher und lässt sie zwar weit vorausrasen, aber ohne sie aus den Augen zu verlieren. Der Strom entgegenkommender Wagen wird rasch dünner: nach Zweier- und Dreiergruppen, die mit großen Abständen fahren, kommen noch ein paar einzelne Autos, dann gar keine mehr. Als hätten sie gewartet, bis sie unbeobachtet sind, biegen Beezer und seine Freunde auf einmal quer über den Highway ab und röhren die Zufahrt zu Goltz’s futuristischem Kuppelbau hinauf.
Wendell spürt einen unwillkommenen Stich von Selbstzweifel; andererseits kann er sich nicht vorstellen, dass Beezer und seine Rüpel plötzlich Sehnsucht nach Anhängerkupplungen oder Rasentraktoren haben sollten. Er fährt etwas schneller und fragt sich dabei, ob sie ihn etwa bemerkt haben und jetzt abzuschütteln versuchen. Seines Wissens gibt es dort oben nur den Ausstellungsraum, die Kundendienstwerkstatt und die Asphaltwüste des Parkplatzes. Und hinter dem Parkplatz? Soviel er weiß, erstreckt sich auf einer Seite mit niedrigem Buschwerk bewachsenes Ödland bis zum Horizont, während sich auf der anderen Seite ein lichtes Wäldchen hinzieht. Wendell kann von der Straße aus sehen, wo die anscheinend als Windschutz gepflanzten Bäume sich den Hügel hinunterziehen.
Ohne erst den Blinker zu setzen, biegt er über die Gegenfahrbahnen ab und rast die Zufahrt zu Goltz’s hinauf. Das Donnern der Harleys ist noch zu hören, klingt aber deutlich leiser, und Wendell spürt jäh aufkommende Angst: Sie haben
ihn irgendwie ausgetrickst, hauen ab und machen sich johlend über ihn lustig! Am Ende der Zufahrt rast er um den Ausstellungsraum herum und erreicht den großen Parkplatz. Vor der Kundendienstwerkstatt stehen zwei riesige gelbe Traktoren, aber sein Wagen ist hier das einzige Auto. Am Rand des leeren Parkplatzes bildet eine nur stoßstangenhohe niedrige Betonmauer, hinter der Bäume gepflanzt sind, die Grenze zwischen Asphalt und Ödland. Jenseits der Baumlinie endet die Mauer an dem in leichter Kurve verlaufenden Asphaltband der Zufahrt zur Rückseite des Ausstellungsraums.
Wendell reißt das Steuer herum und fährt aufs Ende der Betonmauer zu. Er kann die Motorräder noch hören, aber sie klingen jetzt wie ein ferner Bienenschwarm. Sie müssen ungefähr eine halbe Meile weit entfernt sein, denkt Wendell, während er aus dem Toyota springt. Er stopft sich das Diktiergerät in eine Jackentasche, hängt sich die Nikon um den Hals und rennt um die Mauer herum auf die verwilderte Wiese. Schon bevor er das Wäldchen erreicht, sieht er die brüchigen, zum Teil überwucherten Überreste einer alten Schotterstraße, die sich zwischen den Bäumen den Hügel hinunterzieht.
Wendell schätzt, was aber übertrieben ist,
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