Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus
nicht gerade das erhoffte Bild.
Jack, der unsicher auf den Beinen ist, stützt sich mit einer Hand vom Fahrerhaus seines Pickups ab, während er die andere nach dem Türgriff ausstreckt. Beides versengt ihm die Hände, die er jetzt sekundenlang schlenkert, um sie zu kühlen. Er steigt ein und auch der Sitz ist heiß. Er kurbelt die Fenster herunter und stellt mit kurzem Bedauern fest, dass die Welt
wieder normal zu riechen scheint. Sie riecht gut. Sie riecht nach Sommer. Wie soll es jetzt weitergehen? Das ist eine interessante Frage, aber als er wieder die Straße erreicht und kaum dreißig Meter weit gefahren ist, tauchen links von ihm die niedrigen grauen Umrisse der Holzgebäude der Sand Bar auf, und er biegt ohne zu zögern auf den absurd weitläufigen Parkplatz ab, als hätte er das schon immer vorgehabt. Auf der Suche nach einem schattigen Platz fährt Jack hinter das Gebäude und sieht dort den einzigen Versuch, hier Außenanlagen zu gestalten: einen breit ausladenden Ahorn, der am Rand des Parkplatzes aus dem Asphalt wächst. Er stellt seinen Wagen im Schatten des Ahorns ab und steigt aus, lässt aber die Fenster offen. Von den beiden einzigen anderen Fahrzeugen auf dem Parkplatz steigen wabernd Hitzewellen auf.
Es ist 11.20 Uhr. Er wird allmählich auch hungrig, sein Frühstück hat nämlich nur aus einer Tasse Kaffee und einer Scheibe Toast mit Orangenmarmelade bestanden, und das war vor drei Stunden. Jack hat das Gefühl, dass es ein langer Nachmittag werden wird. Am besten isst er hier eine Kleinigkeit, während er auf die Biker wartet.
Der Hintereingang der Sand Bar führt in einen schmalen Gang zwischen den Toiletten, der dann in einen langen rechteckigen Raum übergeht, dessen eine Längsseite von einer glänzend polierten Bartheke eingenommen wird, während auf der gegenüberliegenden Seite geräumige Sitznischen angeordnet sind. Zwei große Billardtische nehmen die Mitte des Raums ein, und eine Jukebox steht im Hintergrund an der Wand zwischen ihnen. An der Querseite des langen Raums hängt ein Großbildfernseher gut zweieinhalb Meter über dem blank gescheuerten Holzboden, dort, wo alle Gäste ihn gut sehen können. Auf dem Fernsehschirm flimmert stumm ein Werbespot, aus dem nicht recht deutlich wird, welchen Zweck das beworbene Produkt erfüllt. Nach dem Sonnenglast auf dem Parkplatz wirkt die Bar angenehm dunkel, und während Jacks Augen sich ans Halbdunkel gewöhnen, scheinen die wenigen schwach brennenden Lampen verschwommene Lichtstrahlen auszusenden.
Der Barmann, den Jack für den berühmten Lester »Stinky
Cheese« Moon hält, sieht auf, als Jack hereinkommt, und wendet sich dann wieder seinem auf der Theke aufgeschlagenen Herald zu. Er sieht erneut auf, als Jack etwas rechts von ihm auf einem Barhocker Platz nimmt. Stinky Cheese ist nicht so schlimm, wie Jack erwartet hatte. Er trägt ein sauberes Hemd, das nur wenig weißer als sein rundes Babygesicht und sein glatt rasierter Schädel ist. Moons Gesichtsausdruck, halb professionell und halb übelnehmerisch, ist unverkennbar der eines Mannes, der den Familienbetrieb übernommen, gleichzeitig aber den Verdacht hat, er hätte anderswo erfolgreicher sein können. Jacks Empfindung sagt ihm, dass wohl dieser Eindruck von müder Frustration diesem Mann seinen Spitznamen bei den Bikern eingebracht hat, weil sie ihm den Ausdruck eines Menschen verleiht, der damit rechnet, jeden Augenblick könnte ihm ein übler Geruch in die Nase steigen.
»Kann ich hier etwas zu essen bekommen?«, fragt Jack ihn.
»Steht alles auf der Tafel.« Der Barmann dreht sich zur Seite und zeigt auf eine weiße Tafel mit Steckbuchstaben, die als Speisekarte dient. Hamburger, Cheeseburger, Hot Dog, Bratwurst, Brühpolnische, Sandwiches, Pommes, Zwiebelringe. Die Geste des Mannes ist darauf berechnet, Jack zu suggerieren, er sei unaufmerksam, und das tut sie auch.
»Sorry, ich hab die Tafel nicht gesehen.«
Der Barmann zuckt mit den Schultern.
»Cheeseburger, medium, mit Pommes, bitte.«
»Lunch gibt’s erst ab halb zwölf, was auch auf der Tafel steht. Sehen Sie?« Eine weitere halb spöttische Handbewegung in Richtung Tafel. »Aber Mutter bereitet hinten schon alles vor. Ich bringe ihr Ihre Bestellung gleich rein, damit sie damit anfangen kann, wenn sie so weit ist.«
Jack bedankt sich, und der Barmann sieht zum Fernseher auf, geht dann ans Ende der Theke und verschwindet dort um die Ecke. Einige Sekunden später kommt er zurück, sieht zum Fernseher auf und
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