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Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus

Titel: Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stephen;Straub King
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»Take This Job and Shove It« sang. Jung-und-stämmig war entschlossen, sich dafür zu revanchieren, dass er einen verdammten Schreck gekriegt und fast mit dem Kopf an die Scheibe geknallt wäre … musste sich geradezu dafür revanchieren, weil der Geruch des anderen, dieser Feiglingsgeruch nach Angst und unbeholfener Wehrlosigkeit, ihn ganz wild machte. Die beiden glichen einem Kaninchen und einem losgelassenen Kettenhund, und das Kaninchen konnte plötzlich nicht mehr weiter zurückweichen: Mr. Mittelalter Anzug stand an die Flanke seines Kombis gepresst da, und im nächsten Augenblick würde das Montiereisen herabsausen, und Blut würde zu fließen beginnen.
    Aber es gab kein Blut, noch nicht einmal den Ansatz zu einem Schlag, weil nämlich Judy DeLois plötzlich da war – nicht größer als ein laufender Meter, aber zwischen den beiden stehend und furchtlos ins zorngerötete Gesicht von Jung-und-stämmig aufblickend.
    Fred fragte sich verstört, wie um Himmels willen sie’s geschafft hatte, so verdammt schnell dorthin zu kommen. (Viele Jahre später würde er sich auf die gleiche Weise wundern, als er Judy in die Küche folgte, nur um im nächsten Augenblick ihre gleichmäßigen Schritte die Vordertreppe herunterkommen zu hören.) Und dann? Dann schlug sie Jung-und-stämmig kräftig auf den Arm! Klatsch, ihr Schlag traf genau auf den prallen Bizeps und hinterließ weiße Fingerspuren auf dem von der Sonne verbrannten, sommersprossigen Fleisch unterhalb des Ärmels des zerschlissenen blauen T-Shirts. Fred wollte seinen Augen nicht trauen.
    Aufhören!, schrie Judy in das überraschte, nicht wenig verwirrt wirkende Gesicht von Jung-und-stämmig hinauf. Weg mit dem Ding, Schluss damit! Seien Sie kein Idiot! Wollen Sie wegen siebenhundert Dollar Blechschaden im Gefängnis landen? Weg damit! Seien Sie vernünftig, Big Boy! Tun … Sie … das … Ding … weg!
    Eine Sekunde lang war Fred sich ziemlich sicher gewesen, Jung-und-stämmig würde trotz ihren Ermahnungen doch mit dem Montiereisen zuschlagen und es auf den Kopf seiner hübschen kleinen Freundin herabsausen lassen. Aber Judy wich
nicht zurück; vielmehr erwiderte sie unerschrocken den Blick des jungen Mannes mit dem Montiereisen, der mindestens zwei Kopf größer und gut weit über einen Zentner schwerer war als sie. An jenem Tag hatte sie bestimmt keinen erbärmlichen Feiglingsgeruch an sich; ihre Zungenspitze glitt nicht tastend über die Lippen oder die Rinne in der Mitte der Oberlippe; ihr funkelnder Blick war standhaft.
    Und im nächsten Augenblick ließ Jung-und-stämmig das Montiereisen sinken.
    Fred merkte erst, dass Schaulustige zusammengelaufen waren, als er den spontanen Beifall einer großen Menge Gaffer hörte. Er klatschte mit. Niemals war er stolzer auf sie als in diesem Augenblick. Judy wirkte dagegen selbst leicht verwirrt. Aber verwirrt oder nicht, sie ließ nicht locker. Sie führte die beiden zusammen, zog Mr. Mittelalter Anzug an einem Arm nach vorn und brachte die beiden tatsächlich dazu, sich die Hand zu schütteln. Als die Cops kamen, saßen Jung-und-stämmig und Mr. Mittelalter Anzug nebeneinander auf dem Randstein, studierten die Versicherungsunterlagen von Letzterem und tauschten ihre Anschriften aus. Fall abgeschlossen.
    Fred und Judy gingen, jetzt wieder Hand in Hand, in Richtung Campus weiter. Fred sagte zwei Straßen lang kein Wort. Hatte er Ehrfurcht vor ihr? Heute neigt er zu dieser Ansicht. Schließlich sagte er: Das war unfassbar.
    Judy schenkte ihm einen unbehaglichen kleinen Blick, ein unbehagliches kleines Lächeln. Nein, das war’s nicht, sagte sie. Wenn du’s irgendwie benennen willst, kannst du’s guten Bürgersinn nennen. Ich konnte sehen, dass dieser Kerl bereit war, sich selbst ins Gefängnis zu bringen. Ich wollte nicht, dass das passiert. Oder dass der andere Mann verletzt wird.
    Den letzten Satz fügte sie allerdings fast als nachträglichen Einfall hinzu, und Fred spürte erstmals nicht nur ihren Mut, sondern auch ihr unerschrockenes Wikingerherz. Sie hielt zu Jung-und-stämmig, weil … Nun, weil der andere Angst gehabt hatte.
    Hast du denn keine Angst gehabt?, fragte er Judy. Er war von dem Geschehenen noch immer so verblüfft, dass er nicht – noch nicht – auf die Idee kam, sich ein bisschen schämen zu
müssen: Schließlich hatte an seiner Stelle seine Freundin eingegriffen, was keineswegs den gängigen Hollywoodklischees entsprach. Hast du nicht gefürchtet, der Kerl mit dem Montiereisen könnte

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