Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus
Street biegt er auf die Camelot Street ab, überquert die Kreuzung, ohne auf Verkehr zu achten, läuft viel schneller als sonst, spurtet viel eher als zu joggen. Ihm kommt der Gedanke an etwas, das passiert ist, als sie erst ungefähr einen Monat lang ein Paar waren.
Sie waren wie gewohnt ins Chocolate Watchband gegangen, diesmal allerdings schon nachmittags, um nämlich ein Jazzquartett zu hören, das sich dann sogar als ziemlich gut herausstellte. Nicht, dass sie allzu aufmerksam zugehört hatten, wie Fred sich jetzt erinnert; die meiste Zeit hatte er Judy davon erzählt, wie wenig ihm das Landwirtschaftsstudium und die unausgesprochene Annahme seiner Familie gefielen, nach Abschluss seines Studiums werde er heimkehren, um Phil zu helfen, die Familienfarm in French Landing zu bewirtschaften. Bei der Vorstellung, für den Rest seines Lebens mit Phil zusammengespannt zu sein, bekam Fred geradezu schwere Depressionen.
Was würdest du stattdessen denn am liebsten machen?, hatte Judy ihn gefragt. Sie hielt seine auf dem Tisch liegende Hand, in einem Marmeladeglas brannte eine Kerze, die Combo auf dem Podium spielte ein hübsches kleines Stück mit dem Titel »I’ll Be There for You«.
Weiß ich nicht, hatte er geantwortet, aber eines kann ich dir sagen, Jude: Ich sollte nicht Landwirtschaft, sondern Betriebswirtschaft studieren. Ich kann verdammt viel besser verkaufen als pflanzen.
Warum wechselst du dann nicht einfach das Studienfach?
Weil meine Familie glaubt …
Deine Familie wird dein Leben nicht leben müssen, Fred – aber du.
Du hast leicht reden, erinnert er sich, gedacht zu haben, aber dann ist auf dem Rückweg zum Campus etwas passiert, was so erstaunlich, so außerhalb seiner Lebenserfahrung und seines Verständnisses vom Funktionieren des Lebens war, dass es ihn noch heute – rund dreizehn Jahre später – mit Staunen erfüllt.
Sie sprachen weiter über seine und ihre gemeinsame Zukunft. (Ich hätte nichts dagegen, Farmerin zu sein, hatte Judy zu ihm gesagt, aber nur, wenn mein Mann auch wirklich selbst Farmer sein will.) Sie waren in dieses Thema vertieft und ließen sich von ihren Beinen irgendwohin tragen, ohne richtig darauf zu achten, wo sie überhaupt waren. Und dann hatten an der Kreuzung State Street und Gorham Street kreischende
Reifen und ein sattes metallisches Krachen ihr Gespräch unterbrochen. Fred und Judy hatten sich umgesehen und festgestellt, dass auf der Kreuzung ein älterer Ford-Kombi mit einem Dodge-Pickup zusammengestoßen war.
Aus dem Kombi, dessen Fahrer offenbar das Stoppschild am Ende der Gorham Street nicht beachtet hatte, stieg ein Mann in mittleren Jahren, der einen mittelalten braunen Anzug trug. Er wirkte nicht nur erschrocken, sondern auch ängstlich, und Fred fand, dazu habe er auch allen Grund: Der Fahrer des Pickups, der auf den Mann zuging, war jung und stämmig (Fred erinnerte sich besonders an den über den Hosenbund der Jeans quellenden Wanst) und hielt ein Montiereisen in der Hand. Du gottverdammtes dämliches Arschloch!, rief Jung-und-stämmig. Sieh dir bloß an, wie du meinen Truck zugerichtet hast! Der Truck gehört meinem Dad, du gottverdammtes Arschloch!
Mittelalter Anzug wich mit weit aufgerissenen Augen und erhobenen Händen zurück. Fred, der die Szene vor Rickman’s Hardware stehend fasziniert beobachtete, dachte: O nein, Mister, schlechte Taktik. Vor einem Kerl dieser Art weicht man nicht zurück, man geht unerschrocken auf ihn zu, selbst wenn er wütend ist. Sie provozieren ihn – merken Sie nicht, dass Sie ihn provozieren? Er war so fasziniert, dass er nicht spürte, dass Judys Hand gar nicht mehr in seiner lag. Er beobachtete mit einer Art beängstigendem Vorauswissen, wie Mr. Mittelalter Anzug weiter zurückwich und blödes Zeug quatschte, von wegen dass ihm das alles schrecklich Leid tue … allein seine Schuld, hatte nicht aufgepasst, er war in Gedanken woanders gewesen … Versicherungsunterlagen … State Farm … Unfallskizze machen … Polizei rufen, damit sie den Unfall aufnehmen kann …
Und die ganze Zeit über ging Jung-und-stämmig weiter auf den Mann zu, klatschte mit dem Ende des Montiereisens in die freie Hand und hörte überhaupt nicht zu. Hier ging es nicht um Versicherung oder Schadenersatz: Hier ging es darum, dass Mr. Mittelalter Anzug ihm einen gottverdammten Schreck eingejagt hatte, als er harmlos unterwegs gewesen war und Gott einen guten Mann hatte sein lassen, während er Johnny Paycheck
zuhörte, wie dieser
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