Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus
zwischen der Welt Amerikas und der Welt der Territorien hat Jack wenig Mühe, diese Vorstellung zu akzeptieren.
»Ja.«
»Aber durchkreuzt er – oder es – nicht die eigenen Pläne, wenn er den Turm zerstört? Vernichtet er dadurch nicht sein körperliches Wesen?«
»Ganz im Gegenteil: Er befreit es, damit es durch das zukünftige Chaos streifen kann … durch Din-tah, das Höllenfeuer. Teile der Mittwelt sind schon in dieses Feuer gefallen.«
»Wie viel von all diesen Dingen muss ich tatsächlich wissen?«, fragt Jack. Er ist sich bewusst, dass auch auf seiner Seite der Mauer die Zeit flieht.
»Schwer abzuschätzen, was du wissen musst und was nicht«, sagt Parkus. »Lasse ich eine entsprechende Einzelheit aus, erlöschen vielleicht alle Sterne. Nicht nur hier, sondern in tausendmal tausend Universen. Das ist das Schreckliche daran. Hör zu, Jack … der König versucht seit undenklichen Zeiten, den Turm zu zerstören und sich zu befreien. Vielleicht seit ewigen Zeiten. Damit kommt er aber nur langsam voran, denn der Turm wird nämlich von sich kreuzenden Balken abgestützt. Diese Balken halten seit Jahrtausenden und werden noch Jahrtausende halten, aber in den vergangenen zweihundert Jahren – nach deiner Zeitrechnung, Jack – für dich, Sophie, wären das nahezu fünfhundert Voll-Erden …«
»So lange«, sagt sie. Es ist fast ein Seufzen. »So überaus lange.«
»Aus historischer Sicht ist dieser Zeitraum nur so kurz wie das Aufflammen eines Zündholzes in einem dunklen Raum. Aber während gute Dinge sich im Allgemeinen nur langsam entwickeln, hat das Böse die Angewohnheit, fix und fertig aufzutauchen, ganz so, wie Jacks Ka ein Freund des Bösen wie des Guten ist. Es umfasst beides. Und weil wir gerade bei Jack sind …« Parkus wendet sich an ihn. »Du hast doch schon einmal von der Bronzezeit und der Eisenzeit gehört, oder?«
Jack nickt.
»In den oberen Turmgeschossen leben welche, die die letzten rund zweihundert Jahre in deiner Welt als das Zeitalter vergifteten Denkens bezeichnen. Das bedeutet …«
»Das brauchst du mir nicht zu erklären«, sagt Jack. »Ich habe immerhin Morgan Sloat gekannt, oder etwa nicht? Ich weiß, was er für Sophies Welt geplant hatte.« Und wie. Im Prinzip war vorgesehen gewesen, einen der paradiesischsten Winkel des Universums erst in ein Urlaubsziel für Reiche, dann in ein Reservoir für ungelernte Arbeitskräfte und zuletzt in eine vermutlich radioaktive Mülldeponie zu verwandeln. Wenn das kein Beispiel für vergiftetes Denken ist, weiß Jack nicht, wie eines aussehen sollte.
»Unter rationalen Wesen hat es immer einige Telepathen gegeben«, erzählt Parkus weiter. »Das trifft auf alle Welten zu. Normalerweise sind sie jedoch seltene Erscheinungen. Wunderkinder, könnte man sagen. Seit in deiner Welt jedoch das Zeitalter vergifteten Denkens angebrochen ist – wie ein Dämon von ihr Besitz ergriffen hat -, sind solche Wesen weit häufiger geworden. Nicht so häufig wie Langsame Mutanten im Verheerten Land, aber häufig, doch.«
»Du sprichst von Gedankenlesern«, sagt Sophie, als wollte sie sich dessen vergewissern.
»Ja«, antwortet Parkus, »aber nicht nur von Gedankenlesern. Menschen mit Vorahnungen. Teleporter – anders gesagt Weltenspringer wie unser alter Travellin’ Jack hier – und Telekinetiker. Gedankenleser sind die häufigsten, Telekinetiker die seltensten … und die wertvollsten dieser Wesen.«
»Für ihn , meinst du«, sagt Jack. »Für den Scharlachroten König.«
»Ja. In den letzten rund zweihundert Jahren hat der Abbalah einen großen Teil seiner Zeit darauf verwendet, eine Truppe aus telepathischen Sklaven aufzubauen. Die meisten von ihnen stammen von der Erde und aus den Territorien. Die Telekinetiker aber stammen alle von der Erde. Dieses Heer von Sklaven – dieser Gulag – ist seine krönende Errungenschaft. Wir nennen sie Brecher. Sie …« Er macht eine nachdenkliche Pause. Dann: »Weißt du, wie eine Galeere fährt?«
Jack versteht nicht gleich, auf was Parkus hinauswill, aber Sophie nickt eifrig.
»Viele Ruderer«, sagt Sophie, dann macht sie eine Ruderbewegung, die gleichzeitig ihre Brüste reizvoll hervortreten lässt.
Parkus nickt zustimmend. »Meistens aneinander gekettete Sklaven. Sie …«
Von außerhalb des Steinkreises meldet Wendell sich plötzlich zu Wort. »Spart. Cus.« Er macht eine Pause, runzelt die Stirn und nimmt einen neuen Anlauf. » Spart -a-cus.«
»Wovon redet er?«, fragt Parkus
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