Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus
verständnislos. »Irgendeine Idee, Jack?«
»Von einem Spielfilm namens Spartacus «, sagt Jack. »Na na, Wendell, ich glaube, Sie irren sich. Sie wollten wohl Ben Hur sagen.«
Wendell macht ein beleidigtes Gesicht und streckt seine fettigen Hände aus. »Mehr. Fleisch.«
Parkus zieht das letzte Moorhuhn von dessen angekohltem Holzspieß und wirft es Wendell zu, der weiterhin außerhalb des Steinkreises hockt und mit seinem bleichen, fettig glänzenden Gesicht über die Knie lugt. »Frische Beute für den Pressefalken«, sagt er. »Tu uns jetzt einen Gefallen, und halt den Schnabel.«
»Oder. Was.« In Wendells Augen steigt das alte trotzige Funkeln auf.
Parkus zieht sein Schießeisen ein Stück aus dem Halfter. Die Griffschalen aus Sandelholz sind abgenutzt, aber der Lauf glänzt tödlich blank. Er braucht nichts mehr zu sagen; mit dem
zweiten Vogel in einer Hand rafft Wendell Green sein Gewand um sich und trollt sich über den Hügel. Jack ist heilfroh, ihn verschwinden zu sehen. Ausgerechnet Spartacus, denkt er und schnaubt verächtlich.
»Der Scharlachrote König will also diese Brecher einsetzen, um sie die Balken zerstören zu lassen«, sagt er. »Das steckt doch wohl dahinter, oder? Das ist der ganze Plan.«
»Du sprichst wie von einem zukünftigen Ereignis«, sagt Parkus milde. »Das geschieht aber gegenwärtig , Jack. Willst du den fortschreitenden Zerfall sehen, brauchst du nur einen Blick auf deine eigene Welt zu werfen. Von den sechs Balken ist nur noch einer vollständig intakt. Zwei andere liefern noch etwas Stützkraft. Die übrigen drei sind bereits zerbrochen. Einer davon ist vor Tausenden von Jahren durch normalen Verschleiß kaputtgegangen. Die anderen … sind von den Brechern zerstört worden. Alles innerhalb von nicht einmal zwei Jahrhunderten.«
»O Gott«, sagt Jack. Er versteht allmählich, wie Speedy dazu kam, den Fisherman als unbedeutend zu bezeichnen.
»Den Auftrag, den Turm und die Balken zu beschützen, hatte schon immer die uralte Kriegerkaste von Gilead, in dieser und in vielen anderen Welten Revolvermänner geheißen. Sie besaßen auch eine starke psychische Ausstrahlung, Jack, die durchaus imstande war, die Brecher des Scharlachroten Königs in Schach zu halten, aber …«
»Aber die Revolvermänner sind bis auf einen ausgestorben«, sagt Sophie mit einem Blick auf die großkalibrige Waffe an Parkus’ Seite und setzt mit leiser Hoffnung hinzu: »Außer du bist wirklich auch einer, Parkus.«
»Das nicht, meine Liebe«, sagt er, »aber es gibt trotzdem mehr als nur einen.«
»Ich dachte, Roland wäre der letzte Revolvermann. So erzählt man sich jedenfalls.«
»Er hat mindestens drei weitere erschaffen«, sagt Parkus. »Ich kann mir zwar nicht vorstellen, wie das gehen soll, aber ich halte es für wahr. Wäre Roland weiterhin allein, hätten die Brecher den Turm längst zum Einsturz gebracht. Aber mit Unterstützung dieser anderen …«
»Ich habe keinen blassen Schimmer, wovon du redest«, sagt Jack. »Ich hatte so etwas wie eine Ahnung, aber inzwischen hast du mich längst abgehängt.«
»Du brauchst nicht alles zu verstehen, um deinen Auftrag auszuführen«, sagt Parkus.
»Na prima.«
»Was den Teil betrifft, den du verstehen musst, denkst du am besten nicht an Galeeren und Rudersklaven, sondern an die Westernfilme, in denen deine Mutter mitgespielt hat. Stell dir als Erstes ein Fort in der Wüste vor.«
»Und dieser Dunkle Turm, von dem du immer redest, der ist das Fort.«
»Ja. Aber das Fort ist nicht von wilden Indianern umzingelt, sondern …«
»Sondern von den Brechern. Unter ihrem Großen Häuptling Abbalah.«
»Der König ist in seinem Turm, isst Brot und Mold. Die Brecher sind im Keller, machen all das Gold.«
Jack empfindet einen eigenartig unangenehmen Schauder, der ihm über den Rücken kriecht; er muss dabei an Rattenpfoten denken, die über zerbrochenes Glas huschen. »Wie bitte? Warum sagst du das?«
Sophie sieht zu ihm auf, errötet, schüttelt den Kopf und senkt den Blick wieder. »Das sagt manchmal sie . Judy. Ich höre sie das manchmal sagen.«
Parkus nimmt einen der angekohlten Holzspieße und zeichnet damit neben der liegenden Acht in den steinigen Staub. »Fort hier. Marodierende Indianer hier, unter Führung ihres grausamen, bösen – und vermutlich wahnsinnigen – Häuptlings. Aber hier drüben …« Auf der linken Seite zeichnet er einen kräftigen Pfeil in den Staub. Die Spitze zeigt auf die Umrisse des Forts und der Indianer,
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