Das schwarze Haus - King, S: Schwarze Haus
fahren los. Als sie die mit Bäumen bestandene Straße entlangrollen, setzt der Dämlack sich etwas vor Ebbie und T. J., aber Ebbie lässt ihn gewähren. Er lenkt sein Rad näher an T. J. heran und sagt: »Hast du dort hinten sonst irgendwas gesehen? Irgendwen? Vielleicht einen Kerl?«
T. J. schüttelt den Kopf. »Nur sein Rad und seinen Schuh.« Er macht eine Pause und überlegt angestrengt. »Am Boden haben ein paar Blätter gelegen. Von der Hecke. Und ich hab eine Feder gesehen, glaub ich. Wie von einer Krähe oder so?«
Das tut Ebbie als unwesentlich ab. Er schlägt sich eher mit der Frage herum, ob der Fisherman heute Morgen wirklich nahe an ihn herangekommen ist – nahe genug, um sich einen seiner Kumpels zu schnappen. Einem blutdürstigen Teil seines Ichs gefällt diese Vorstellung, gefällt der Gedanke, irgendein schemenhaftes, gesichtsloses Monster habe den zunehmend lästiger werdenden Tyler Marshall abgemurkst und zum Mittagessen verspeist. Zu seinem Ich gehört auch ein kindlicher Teil, der sich vor dem schwarzen Mann fürchtet (dieser Teil wird heute Nacht das Regiment führen, wenn er wach in seinem
Zimmer liegt und die Schatten anstarrt, die Formen anzunehmen und immer näher an sein Bett heranzudrängen scheinen). Und dann gibt es noch einen frühreifen Teil seines Ichs, der instinktiv und unverzüglich Maßnahmen ergriffen hat, um sich dem Auge des Gesetzes für dem Fall zu entziehen, dass Tylers Verschwinden sich zu etwas entwickelt, was Ebbies Vater einen »Scheißrabatz« nennen würde.
Aber wie bei Dale Gilbertson und Tys Vater Fred herrscht in Ebbie Wexlers Innerem vor allem ein großer, fundamentaler Unglaube vor. Er will einfach nicht glauben, Tyler sei etwas Endgültiges zugestoßen. Nicht einmal nach den Morden an Amy St. Pierre und Johnny Irkenham, der zerstückelt und in einem alten Hühnerstall aufgehängt wurde. Das sind Kinder, von denen Ebbie in den Abendnachrichten gehört hat, Fiktionen aus dem Fernsehland. Da er weder Amy noch Johnny gekannt hat, können sie ruhig gestorben sein, genau wie nicht wirklich existierende Leute ständig in Filmen und im Fernsehen sterben. Bei Ty ist das aber anders. Ty war vorhin noch da. Er hat mit Ebbie geredet. Ebbie hat mit ihm geredet. Aus Ebbies Sicht kommt das Unsterblichkeit gleich. Oder sollte ihr gleichkommen. Konnte der Fisherman sich Ty schnappen, könnte er sich jeden Jungen schnappen. Auch Ebbie. Deshalb glaubt er’s wie Dale und Fred einfach nicht. Sein geheimstes und innerstes Innere, jener Teil seines Ichs, der dem Rest seines Selbst versichert, auf dem Planeten Ebbie sei alles bestens, leugnet den Fisherman und all dessen Werke.
»Ebbie, glaubst du …«, sagt T. J.
»Ach was«, sagt Ebbie. »Der taucht wieder auf. Komm, wir fahren in den Park. Dosen und Flaschen können wir auch später noch suchen.«
Fred Marshall hat sein Sportsakko im Büro gelassen und sich die Ärmel hochgekrempelt, um Rod Tisbury dabei zu helfen, eine neue Rotofräse von Hiler auszupacken. Dieses erste Gerät einer neuen Modellreihe von Hiler ist echt super.
»Auf ein Gerät wie das hier warte ich seit mindestens zwanzig Jahren«, sagt Rod. Er setzt das breite Ende der Brechstange fachmännisch oben an der großen Kiste an, worauf eine der
Seitenwände mit dumpfem Knall auf den Betonboden der Wartungsdienstwerkstatt klatscht. Rod ist Chefmechaniker bei Goltz’s und hier in seiner Werkstatt der King. »Sie eignet sich für den kleinen Farmer; sie eignet sich aber auch für den Landschaftsgärtner. Wenn man bis zum Herbst nicht ein Dutzend dieser Dinger verkauft, hat man seinen Beruf verfehlt.«
»Bis Ende August verkaufe ich locker zwanzig davon«, sagt Fred völlig zuversichtlich. Vorübergehend sind alle seine Sorgen angesichts dieser fantastischen kleinen grünen Maschine vergessen, einer Maschine, die verdammt viel mehr kann, als nur fräsen. Sie wird mit zahlreichen tollen Zusatzgeräten geliefert, die sich so leicht anbringen und abnehmen lassen wie das Vliesfutter einer Outdoorjacke. Er will den Motor anlassen, will ihn laufen hören. Der Zweizylinder sieht echt stark aus.
»Fred?«
Er sieht sich ungeduldig um. Dort steht Ina Gaitskill, Ted Goltz’ Sekretärin und gleichzeitig Empfangsdame der Firma. »Was ist?«
»Anruf für Sie.« Ina deutet quer durch die Werkstatt – die von Maschinenlärm und dem lauten Rattern eines Druckluftschraubers, der die Radmuttern eines alten Case-Traktors löst, widerhallt – auf das Wandtelefon, an dem
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