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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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zwischen den Wissenschaftlern umher und dachte immer wieder, sie hätten genausogut Marsmenschen sein können. Er verstand nicht ein Wort.
    In der Lobby des Hotels war er inzwischen mit seiner Tweedjacke, seiner an einem Band um den Hals baumelnden Brille und seinem Stoß Fachzeitschriften ein wohlvertrauter Anblick geworden. Sogar die vier Leute vom KGB und ihr Kollege von der GRU verloren ihr Interesse an ihm.
    Am Tag vor der Abreise wartete Monk, bis Professor Blinow sich in sein Zimmer zurückzog. Wenig später klopfte er bei ihm an.
    »Ja«, sagte eine Stimme auf englisch.
    »Zimmerdienst«, erklärte Monk.
    Die Tür ging so weit auf, wie es die Kette erlaubte. Professor Blinow spähte hinaus und erblickte einen Mann im Anzug, der ein Tablett mit hübsch arrangiertem Obst balancierte, das oben mit einer rosa Schleife geschmückt war.
    »Ich habe keinen Zimmerdienst angefordert.«
    »Ich bin auch kein Page, sondern der Nachtportier. Ein kleines Dankeschön des Hotels.«
    Auch nach fünf Tagen in Amerika verblüffte Professor Blinow immer noch der grenzenlose Konsum. Einzig der wissenschaftliche Diskurs und die strengen Sicherheitsmaßnahmen waren ihm vertraut. Aber eine kostenlose Schale Obst, das war ihm absolut neu. Weil er nicht unhöflich sein wollte, tat er etwas, das ihm der KGB untersagt hatte: Er löste die Kette.
    Monk trat ein, stellte den Korb ab, wandte sich um und schloß unvermittelt die Tür.
    Der Wissenschaftler blinzelte ihn erschrocken an. »Ich weiß, wer Sie sind. Gehen Sie, oder ich alarmiere meine Leute!«
    Monk lächelte ihn nur an und wechselte ins Russische über. »Klar, Professor, wann immer Sie wollen. Aber ich habe etwas für Sie. Lesen Sie es bitte, und danach können Sie immer noch Alarm schlagen.«
    Der Wissenschaftler griff mechanisch nach dem Brief des Jungen und warf einen Blick auf die erste Zeile.
    »Was soll der Unsinn? Sie dringen hier ein und.«
    »Lassen Sie uns nur fünf Minuten miteinander sprechen. Dann gehe ich wieder. Freiwillig und ohne Ärger zu machen. Aber vorher hören Sie mir bitte zu.«
    »Was Sie auch sagen, ich will nichts davon hören. Ich weiß, wie das läuft. Man hat mich gewarnt.«
    »Zenia lebt in New York«, sagte Monk und nahm dem Professor damit den Wind aus den Segeln. Blinow verstummte abrupt und brachte in seiner Verwirrung den Mund nicht mehr zu. Mit fünfzig war er längst ergraut und sah älter aus, als seine Jahre es vermuten ließen. Er bückte sich, klemmte sich eine Lesebrille auf die Nase, musterte über die Gläser hinweg noch einmal Monk, dann setzte er sich langsam auf sein Bett.
    »Zenia? Hier? In Amerika?«
    »Nach Ihrem letzten gemeinsamen Urlaub in Jalta erhielt sie die Auswanderungsgenehmigung nach Israel. In einem Transitlager in Österreich wandte sie sich dann aber an unsere Botschaft, und wir stellten ihr ein Visum für Amerika aus. Im Lager merkte sie auch, daß sie von Ihnen schwanger war. Jetzt lesen Sie bitte den Brief.«
    Der Professor las langsam und mit wachsendem Erstaunen. Als er fertig war, ließ er die zwei Bögen in seiner Hand sinken und starrte lange die Wand an. Dann nahm er die Brille ab und rieb sich die Augen. Ganz langsam kullerten zwei Tränen seine Wangen hinab.
    »Ich habe einen Sohn«, flüsterte er. »Gütiger Himmel, ich habe einen Sohn.«
    Monk zog ein Foto aus seiner Tasche. Es zeigte einen sommersprossigen Jungen mit Baseballmütze, der über das ganze Gesicht grinste.
    »Iwan Iwanowitsch Blinow«, sagte Monk. »Er hat Sie nie gesehen und kennt nur eine vergilbte alte Aufnahme von Ihnen. Aber er liebt Sie.«
    »Ich habe einen Sohn«, wiederholte der Mann, der Wasserstoffbomben konstruieren konnte.
    »Sie haben auch eine Frau«, murmelte Monk.
    Blinow schüttelte den Kopf. »Walia ist letztes Jahr an Krebs gestorben.«
    Das Herz rutschte Monk in die Hose. Dann war der Mann ja frei. Er würde in den Staaten bleiben wollen und ihm einen Strich durch die Rechnung machen.
    Und Blinow hatte ihn durchschaut. »Was wollen Sie?«
    »In zwei Jahren sollen Sie unsere nächste Einladung zu einem Vortrag im Westen annehmen und dann hierbleiben. Wo Sie auch sein mögen, wir werden Sie nach Amerika holen. Sie werden ein angenehmes Leben bei uns führen. Eine Professur an einer angesehenen Universität, ein großes Haus auf dem Land, zwei Autos. Zenia und Iwan werden bei Ihnen sein. Für immer. Beide lieben Sie sehr, und ich glaube, Sie lieben sie auch.«
    »Zwei Jahre.«
    »Ja. Noch zwei Jahre in Arzamas-16. Aber

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