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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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wir müssen alles erfahren. Verstehen Sie?«
    Blinow nickte. Bis zur Dämmerung brachte Monk ihn dazu, sich die Ostberliner Adresse einzuprägen und die Dose Rasierschaum anzunehmen, in der das für seinen einzigen Brief gedachte Röhrchen unsichtbarer Tinte versteckt war. Daß ein Fremder sich in Arzamas-16 einschleichen könnte, schloß man von vornherein aus.
    Darum mußte ein Treffen für die Übergabe reichen. Und ein Jahr danach sollte er mit allem, was er mitnehmen konnte, fliehen.
    Beim Betreten der Lobby meldete sich in Monks Hinterkopf eine leise Stimme: Was für ein Schuft du doch bist! Du hättest ihn nicht zurückschicken dürfen! Eine zweite Stimme sagte: Arbeitest du etwa für einen Wohltätigkeitsverein, der Familien zusammenführt? Herrgott, du bist ein Spion, sonst nichts! Und der richtige Jason Monk schwor sich, daß Iwan Jewdokimowitsch Blinow eines Tages mit seiner Frau und seinem Sohn in den Staaten leben und von Onkel Sam reichlich Entschädigung für jede Minute dieser zwei Jahre bekommen sollte.
    Das Treffen fand zwei Tage später hoch über dem Vauxhall Cross in Sir Henry Coombs' Büro statt, das in eingeweihten Kreisen unter der scherzhaften Bezeichnung »Palast des Lichts und Wissens« bekannt war. Ein alter Krieger und Orientalist namens Ronnie Bloom, der inzwischen längst unter der Erde lag, hatte den Begriff geprägt. In Peking hatte er einmal ein Haus dieses Namens entdeckt. Freilich hatte er dort sehr wenig Licht und kaum Wissen vorgefunden. Aus diesem Grund wiederum hatte es ihn an die Zentrale im Century House erinnert. Der Name war ihm geblieben.
    Zugegen waren bei diesem Treffen auch die Koordinatoren für die westliche und die östliche Hemisphäre sowie Marchbanks, der Leiter der Rußlandabteilung, und Macdonald.
    Macdonald erstattete fast eine Stunde lang Bericht, der nur gelegentlich durch Zwischenfragen seiner Vorgesetzten unterbrochen wurde.
    »Nun, meine Herren?« fragte der Chef schließlich. Jeder gab seinen Eindruck wieder. Es bestand Einigkeit darüber, daß das Schwarze Manifest tatsächlich gestohlen worden war und einen authentischen Schlachtplan für Komarows Vorgehen nach seiner Machtergreifung darstellte: die Schaffung einer Einparteiendiktatur, Krieg gegen das Ausland und Völkermord im eigenen Land.
    »Können Sie alles, was Sie uns berichtet haben, schriftlich fixieren, Jock? Bis heute abend, bitte. Ich muß es nach oben weitergeben. Außerdem sollten wir unsere Kollegen in Langley informieren. Sean, können Sie sich darum kümmern?«
    Der Koordinator für die westliche Hemisphäre nickte.
    »Schlimme Sache«, knurrte der Chef und erhob sich. »Der Mann muß natürlich auf der Stelle gestoppt werden. Die Politiker müssen uns nur noch grünes Licht geben.«
    Doch dazu kam es nicht. Statt dessen gab es in den letzten Augusttagen ein Treffen zwischen Sir Henry Coombs und einem hohen Beamten im Außenministerium in der King Charles Street.
    Als verbeamteter Staatssekretär im Außenministerium stand Sir Reginald Parfitt nicht nur gemeinsam mit dem Chef dem SIS vor, sondern war zugleich einer vom Rat der sogenannten »Fünf Weisen«, gebildet aus ihm und seinen ranggleichen Kollegen aus den Ministerien für Finanzen, Verteidigung, Inneres sowie dem übrigen Kabinett. Im Bedarfsfall oblag es ihnen, dem Premierminister einen Vorschlag für die Nachfolge des Chefs zu unterbreiten. Beide Männer kannten sich schon sehr lange, beide verband eine tiefe Freundschaft, und beide waren sich bewußt, daß sie jeweils zwei grundverschiedenen Bereichen vorstanden.
    »Dieses vermaledeite Dokument, das Ihre Leute letzten Monat aus Rußland gebracht haben.«, brummte Parfitt.
    »Das Schwarze Manifest.«
    »Ja. Schöner Name. Ihre Idee, Henry?«
    »Von meinem Stationsleiter in Moskau. Paßt ja auch ziemlich gut.«
    »Unbedingt. Schwärzer geht es nicht. Na gut, wir haben es den Amerikanern übermittelt, aber sonst niemandem. Und hier hat es die höchste Ebene erreicht. Unser Herr und Gebieter« – er meinte den Premierminister – »hat es sich kurz vor seinem Abflug zum Urlaub in die Toskana angesehen. Der amerikanische Außenminister kennt es auch. Es erübrigt sich zu sagen, daß es auf allen Seiten Abscheu hervorgerufen hat.«
    »Werden wir reagieren, Reggie?«
    »Reagieren. Tja, da liegt der Hund begraben. Regierungen stehen offiziell nur mit Regierungen im Dialog, nicht mit irgendwelchen Oppositionspolitikern des Auslands. Offiziell« – er klopfte auf die Kopie des

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