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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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mußte er sich den Kopf darüber zerbrechen, wie er in den Besitz der streng gehüteten Dokumente gelangte, ohne den Empfang mit seiner Unterschrift zu quittieren.
    Binnen kurzer Zeit hievte Mulgrew seinen Freund an die Spitze des Bereichs Externe Operationen. Der Haken an der Sache war nur: Externe Ops war nur für die außerhalb der Sowjetunion und ihrer Vasallen tätigen Maulwürfe zuständig. Der spartanische Kämpfer Lysander, der in Ostberlin das Direktorat K des KGB leitete, war also genausowenig dabei wie der Jäger Orion, der im Außenministerium in Moskau tätig war, wie Delphi, das Orakel, der ein hohes Amt im Verteidigungsministerium bekleidete, und wie schließlich der Mann mit dem Codenamen Pegasus, der unbedingt über den Atlantik fliegen wollte und in einer nuklearen Forschungsanlage irgendwo zwischen Moskau und dem Ural ein Dasein in völliger Abgeschiedenheit führte.
    Obwohl Ames seine neuen Kompetenzen gleich dazu benutzte, Monk nachzuspüren (der ebenfalls aufgestiegen war, und zwar in Gehaltsstufe 16, während er, Ames, bei G15 stagnierte), wurde er nicht fündig. Aber wenn die Akten der Externen Ops nichts über Monk hergaben, so konnte das nur bedeuten, daß die Agenten, die er führte, innerhalb der Sowjetunion tätig sein mußten. Den Rest erzählten ihm Scuttlebutt und Mulgrew.
    Im ganzen Haus hieß es, daß Monk der beste war, die derzeit einzige Hoffnung der Abteilung SO. Man flüsterte sich hinter vorgehaltener Hand aber auch zu, daß er ein Einzelgänger sei, der sich von niemandem dreinreden ließe und längst rausgeboxt worden wäre, hätte er nicht so viele Erfolge erzielt – und das in einer Organisation, die vor sich hinsiechte.
    Wie so viele Bürohengste verabscheute Mulgrew Leute vom Schlag eines Jason Monk. Seine Unabhängigkeit, seine beharrliche Weigerung, Formblätter in dreifacher Ausfertigung abzuliefern, und vor allem seine scheinbare Immunität gegen Beschwerden, wie besonders Mulgrew sie hatte, waren ein ständiger Stachel in seinem Fleisch.
    Diese Abneigung nutzte Ames weidlich aus. Und weil er der Trinkfestere von beiden war, funktionierte sein Verstand auch noch, wenn der Alkohol Mulgrew die Zunge gelöst hatte. So platzte Mulgrew einmal im September 1989 spät in der Nacht damit heraus, er habe gehört, daß Monk einen Agenten führe, »irgend so ein hohes Tier, das er vor vielleicht zwei Jahren in Argentinien angeworben hat«.
    Den Namen oder Codenamen wußte er nicht, aber den Rest fand der KGB heraus. »Hohes Tier« ließ darauf schließen, daß der Mann mindestens Abteilungsleiter in einem Ministerium war. Und mit »vielleicht zwei Jahre« ließ sich der Zeitraum auf anderthalb bis drei Jahre eingrenzen.
    Vom Auswärtigen Amt erhielt man eine Liste mit siebzehn Leuten, die in der fraglichen Zeit nach Buenos Aires geschickt worden waren. Dank Ames' Tip, daß der Mann danach in die Sowjetunion zurückgekehrt sein mußte, ließ sich der Kreis auf zwölf Verdächtige einschränken.
    Anders als die CIA faßte die Abteilung Gegenspionage des KGB keinen ihrer eigenen Leuten mit Samthandschuhen an. Sie prüfte sofort nach, wer plötzlich an viel Geld herangekommen war, einen höheren Lebensstandard genoß, sich eine kleine Wohnung gekauft hatte.
    Das Wetter war prächtig an diesem ersten September. Vom Ärmelkanal wehte eine frische Brise herüber, und zwischen den Klippen und der Küste der Normandie gab es nichts als die weißen Kronen der vom Wind aufgewühlten Wellen. Sir Nigel schritt den Küstenpfad entlang, der Durlston Head mit St. Alban's Head verband, und sog die salzige Meeresluft in tiefen Zügen ein. Es war seine Lieblingsstrecke, seit Jahren schon, und ein Labsal nach Sitzungen in verrauchten Zimmern oder einer über Geheimdokumenten verbrachten Nacht.
    Seinen Wanderungen dort, dessen war er sich sicher, verdankte er den klaren Kopf, das Gespür für arglistig ausgelegte falsche Fährten und die Fähigkeit zur Konzentration auf das Wesentliche.
    Die ganze Nacht hatte er über den ihm von Henry Coombs ausgehändigten zwei Dokumenten gebrütet, deren Inhalt ihn zutiefst schockierte. Gleichwohl imponierte ihm die detektivische Akribie, mit der Coombs' Leute zu Werke gegangen waren, nachdem dieser verkommene Typ etwas in Miss Stones Wagen geworfen hatte. Genauso hätte auch er gehandelt.
    Er erinnerte sich vage an Jock Macdonald. Damals war er noch ein junger Spund gewesen und hatte im Century House Botengänge erledigt. Nun, anscheinend hatte er seinen Weg

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