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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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beunruhigt.
    Wenn bei Kruglow alles in Ordnung war, dann brach er sämtliche Regeln. Warum? Zweimal hatten die CIA-Leute in Moskau die vereinbarten Kreidestriche an den vereinbarten Stellen angebracht, um Delphi zu übermitteln, daß in einem toten Briefkasten etwas für Orakel bereitlag und er ihn leeren solle. Beide Male hatte er die Nachricht ignoriert. Hatte er die Stadt verlassen? Hatte man ihn überraschend ins Ausland versetzt?
    Wenn das der Fall war, hätte er auf dem üblichen Weg Entwarnung geben müssen. Monk und seine Leute durchforsteten die gängigen Zeitschriften nach der verabredeten Kleinanzeige, aus der sie die Worte: »Mir geht's gut« oder das Gegenteil: »Ich habe Schwierigkeiten – bitte helft mir«, hätten herauslesen können. Nichts dergleichen war zu finden.
    Als Delphi sich bis März immer noch nicht gemeldet hatte, blieben nur noch drei Möglichkeiten: Ein Unfall, ein Herzinfarkt oder eine schwere Krankheit hatten ihn außer Gefecht gesetzt. Oder er war tot. Oder aufgeflogen.
    Für Monk, der mit dem Schlimmsten rechnete, gab es nur noch eine offene Frage. Wenn sie Kruglow festgenommen und verhört hatten, dann hatte er ihnen bestimmt alles verraten. Widerstand wäre nicht nur zwecklos gewesen, er hätte auch seine Qualen unnötig verlängert. Demnach hatte er bestimmt nicht nur die Standorte der toten Briefkästen preisgegeben, sondern auch die Codes für die Kreidezeichen, die den CIA darauf hinwiesen, daß wieder ein Päckchen mit Informationen zur Abholung bereitlag. Warum benutzte der KGB diese Kreidezeichen dann nicht, um einen amerikanischen Diplomaten auf frischer Tat zu ertappen?
    Das wäre doch das Naheliegendste gewesen. Endlich hätte Moskau wieder einmal triumphieren können, nachdem in der letzten Zeit so gut wie alles schiefgelaufen war.
    Das sowjetische Imperium im Osten Europas zerfiel. Die Rumänen hatten eben erst ihren Diktator Ceaucescu umgebracht; Polen war weg; die Tschechoslowakei und Ungarn rebellierten; die Berliner Mauer war im November gefallen. Und dann schlug der KGB die Chance aus, der Welt nach all den Demütigungen einen amerikanischen Spion zu präsentieren. Doch nichts geschah.
    Für Monk konnte das nur zweierlei bedeuten: Entweder stellte Kruglows Verschwinden ein noch zu klärendes Mißgeschick dar, oder der KGB versuchte, eine Quelle zu schützen.
    Die Vereinigten Staaten sind bekannt für die unterschiedlichsten Dinge, unter anderem für sogenannte
NonGovernmental Organizations,
kurz NGOs. Es gibt Tausende im ganzen Land. Das Spektrum umfaßt alle möglichen Verbände bis hin zu Stiftungen zur Förderung zahlloser, auch obskurer Forschungsobjekte. Es gibt Zentren zur Erarbeitung politischer Strategien, Expertenkomitees, Interessenverbände, Initiativen, die sich für die Einführung oder Abschaffung von diesem oder jenem stark machen, und mehr Wohltätigkeitsvereine, als ein einzelner auflisten könnte.
    Allein Washington beherbergt zwölfhundert solcher NGOs, und in New York gibt es noch einmal gut tausend. Sie alle benötigen Geld. Einige werden – zumindest teilweise – mit Steuergeldern finanziert, andere verdanken ihre Mittel dem Testament eines lange verstorbenen Stifters, wieder andere der Privatwirtschaft. Als Geldgeber treten auch Weltverbesserer a la Don Quichotte in Erscheinung sowie wohlmeinende oder schlichtweg schrullige Millionäre.
    Von Akademikern, Politikern, ehemaligen Botschaftern, Wohltätern, Wichtigtuern bis hin zu Verrückten findet also so gut wie jeder seine Nische. Doch bei aller Vielfalt haben diese NGOs eins gemeinsam: Sie geben ihre Existenz öffentlich bekannt und haben eine Zentrale – das heißt alle NGOs bis auf eine.
    Vielleicht lag es aber gerade an den wenigen handverlesenen Mitgliedern dieses einen Clubs, der ausnahmslos aus hochkarätigen Persönlichkeiten bestand und sich völlig unbemerkt von der Außenwelt traf, daß der Council of Lincoln des Sommers 1999 die wahrscheinlich einflußreichste NGO von allen war.
    In einer Demokratie bedeutet Macht lediglich Einfluß. Nur in einer Diktatur ermöglicht es das Gesetz den Mächtigen, Menschen zu verhaften, zu isolieren, zu foltern, vor Gericht zu stellen, zu verurteilen und in Geheimgefängnisse zu werfen.
    Die Macht der Nichtgewählten in Demokratien liegt in der Einflußnahme auf die gewählte Maschinerie. Erreichen können sie das durch die Mobilisierung der Öffentlichkeit, Kampagnen in den Medien, die Bildung von Interessengruppen oder direkte

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