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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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gemacht. Und seine Schlußfolgerung überzeugte ihn: Das Schwarze Manifest war weder eine Fälschung noch ein Witz.
    Das lenkte seine Gedanken wieder auf das Machwerk selbst. Wenn der russische Demagoge dieses Programm tatsächlich verwirklichen wollte, würde sich ein längst überwunden geglaubter Teil der Geschichte wiederholen, dessen Schrecken er in seiner Jugend mit eigenen Augen gesehen hatte.
    Er war achtzehn, als er 1943 endlich in die britische Armee eintreten konnte und zunächst in Italien stationiert wurde. Nach einer schweren Verwundung beim Sturm auf den Monte Cassino schickte man ihn zur Behandlung nach Hause und ließ ihn nach seiner Genesung trotz aller Bitten nicht mehr an den Kampfeinsätzen teilnehmen. Statt dessen wurde er in den militärischen Aufklärungsdienst versetzt.
    Der frischgebackene Leutnant war gerade erst zwanzig Jahre alt, als er mit der Achten Armee den Rhein überquerte und mit einem Anblick konfrontiert wurde, der einem so jungen Menschen, ja eigentlich jedem Menschen erspart bleiben sollte. Doch sein Infanteriemajor, selbst von namenlosem Entsetzen gepackt, forderte ihn auf, sich das anzusehen, was er gerade entdeckt hatte. Das Konzentrationslager von Bergen-Belsen löste auch bei weitaus älteren Männern Alpträume aus, die sie zeitlebens nicht mehr loswurden.
    Auf dem höchsten Punkt von St. Alban's Head angekommen wandte sich Sir Nigel landeinwärts und folgte dem Pfad zu dem Dorf Acton, von wo ein Weg zu seinem Haus in Langton Matravers führte. Was sollte er nun tun? Und mit welchen Chancen, überhaupt etwas zu bewirken? Die Dokumente auf der Stelle verbrennen und seine Hände in Unschuld waschen? Die Versuchung war groß. Oder sollte er sie nach Amerika mitnehmen und den Spott der Eider Statesmen riskieren, mit denen er die ganze nächste Woche verbringen würde? Ein schrecklicher Gedanke!
    Er öffnete das Tor und durchquerte den kleinen Garten, in dem Penny Obst und Gemüse anbaute. Ein kleines Feuer war am Erlöschen. Sie hatte wieder einmal die Bäume beschnitten. Unter der Asche glühte es noch. Für die zwei Dokumente würde es reichen. Es wäre ja so einfach, sie ins Feuer zu werfen und die Sache abzuhaken.
    Henry Coombs und auch sein Nachfolger würden das Thema nie wieder anschneiden; das wußte er. Niemand würde je von den Dokumenten erfahren. Diskretion gehörte einfach zum Kodex. Durch das offene Küchenfenster hörte er seine Frau rufen.
    »Da bist du ja! Im Wohnzimmer steht Tee. Ich war im Dorf und habe Muffins und Marmelade gekauft.«
    »Sehr schön. Ich liebe Muffins.«
    »Das weiß ich inzwischen.«
    Die fünf Jahre jüngere Penelope Irvine war einmal eine atemberaubende Schönheit gewesen und hätte sich unter einem Dutzend Bewerber den reichsten aussuchen können. Aus Gründen, die nur sie kannte, hatte sie sich für den mittellosen Geheimdienstoffizier entschieden, der ihr Gedichte vorgelesen hatte und hinter dessen Schüchternheit sich ein Gedächtnis so umfassend wie ein Computer verbarg.
    Sie hatten einen Sohn gehabt; ihr ein und alles war er gewesen, doch dann war er 1982 im Falklandkrieg gefallen. Außer an seinem Geburts- und Todestag versuchten sie, nicht zuviel an ihn zu denken.
    Dreißig Jahre lang hatte Penelope geduldig auf ihren Mann gewartet, während er seine Agenten im Innersten der Sowjetunion geführt oder im kalten Schatten der Berliner Mauer gestanden hatte, bis der eine oder andere tapfere, aber verängstigte Mann durch den Checkpoint Charlie in die Lichter Westberlins schlüpfte. Trotz ihrer fast siebzig Jahre fand er sie nach wie vor schön und liebte sie sehr.
    Er saß am Tisch, aß sein Abendbrot und starrte ins Kaminfeuer.
    »Du gehst schon wieder weg«, stellte sie mit leiser Stimme fest.
    »Ich muß wohl,«
    »Für wie lange?«
    »Ach, ein paar Tage in London für die Vorbereitungen und dann eine Woche in Amerika. Was danach kommt, weiß ich nicht, aber wahrscheinlich ist dann Schluß.«
    »Ich komme auch allein zurecht. Im Garten ist ja jede Menge zu tun. Rufst du mich an, wenn du kannst?«
    »Natürlich.«
    Dann fügte er hinzu: »Es darf nicht noch einmal geschehen, weißt du.«
    »Natürlich nicht. Trink deinen Tee aus.«
Langley, März 1990
    Die Moskauer CIA-Station schlug als erste Alarm. Agent Delphi hatte sich nicht mehr gemeldet. Schon seit Dezember nicht mehr. Jason Monk saß an seinem Schreibtisch und brütete düster über dem entschlüsselten Telegramm, das man ihm gebracht hatte. Er war äußerst

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