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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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namens Jelzin. Einer von den Freigelassenen ist ein Freund, ein Schriftsteller und Intellektueller aus Litauen. Ich glaube, ich kann ihm trauen. Er hat mir versprochen, diesen Brief aus dem Lager zu schmuggeln und Ihnen zu schicken, sobald er seine Heimat erreicht hat.
    Ich werde wieder in einen Zug steigen müssen, werde bald wieder in einem Viehtransporter in ein anderes Lager gebracht, das ich aber nicht mehr sehen werde. Darum sende ich Ihnen mein Lebewohl und ein paar Neuigkeiten.«
    Es folgte eine Schilderung dessen, was vor dreieinhalb Jahren nach seiner Verhaftung in Ostberlin geschehen war. Nikolai beschrieb, wie man ihn in der Zelle unter dem Lefortowo-Gefängnis geschlagen hatte, und gestand, daß er keinen Sinn mehr darin gesehen hatte, sein Wissen nicht preiszugeben. Er beschrieb die stinkende, mit Exkrementen beschmierte Zelle mit den weinenden Mauern, in der endlose Kälte herrschte, die grellen Lichter, die gebrüllten Fragen und die Folgen, wenn eine Antwort nicht schnell genug kam: eingeschlagene Zähne und Blutergüsse um die Augen.
    Er berichtete auch von Anatoli Grischin. Der Oberst war so sehr von Turkins baldigem Tod überzeugt gewesen, daß er sich vor ihm mit seinen anderen Triumphen gebrüstet hatte. Bis ins Detail hatte er ihm das Schicksal von Männern geschildert, deren Namen er zum erstenmal hörte: Kruglow, Blinow und Solomin. Auf diese Weise erfuhr Turkin, was Grischin dem sibirischen Jäger alles angetan hatte, um ihn zum Reden zu bringen.
    »Als es vorbei war, betete ich zu Gott, sterben zu dürfen, wie ich es seitdem so oft getan habe. In diesem Lager begeht ständig jemand Selbstmord, aber irgendwie klammerte ich mich an die Hoffnung, ich könnte durchhalten und eines Tages frei sein. Aber Sie würden mich nicht mehr erkennen. Ludmilla und mein Sohn Juri ebensowenig- Ich habe keine Haare, keine Zähne mehr, und das bißchen, was von meinem Körper noch übrig ist, haben meine Wunden und das Fieber entstellt.«
    Er schilderte die lange Reise von Moskau zum Lager in einem Viehtransporter, in dem man ihn mit Schwerverbrechern zusammengesperrt hatte, die ihn bewußtlos geschlagen und ihm ins Gesicht gespuckt hatten, um ihn mit ihrer Tuberkulose anzustecken. Er ließ auch das Leben im Lager nicht aus, in dem man ihm noch knapper bemessene Rationen und noch härtere Arbeit zugeteilt hatte als den übrigen Häftlingen. Nach einem halben Jahr hatte er sich beim Schleppen von Baumstämmen das Schlüsselbein gebrochen, doch statt ihn zu versorgen, hatten die Aufseher streng darauf geachtet, daß er in Zukunft alle Lasten auf der verletzten Schulter trug.
    Der Brief endete mit den Worten: »Ich bedaure nichts von dem, was ich getan habe, denn das System war von Grund auf schlecht. Vielleicht gibt es bald Freiheit für mein Volk. Irgendwo dort draußen ist meine Frau. Ich hoffe von Herzen, daß sie glücklich ist, und auch mein Sohn Juri, der Ihnen sein Leben verdankt. Dafür bin ich Ihnen ewig dankbar. Leben Sie wohl, mein Freund. Ihr Nikolai Iljitsch.«
    Jason Monk faltete den Brief wieder zusammen und legte ihn auf einen Abstelltisch, verbarg den Kopf in den Händen und schluchzte hemmungslos wie ein Kind. An diesem Tag ging er nicht zur Arbeit. Er rief auch nicht an, um sich zu entschuldigen. Wenn das Telefon klingelte, nahm er nicht ab. Um sechs Uhr abends, als es schon fast dunkel war, warf er einen Blick ins Telefonbuch, stieg in seinen Wagen und fuhr nach Arlington.
    Er klopfte höflich an der Tür des Hauses, dessen Adresse er gesucht hatte. Als eine Frau öffnete, sagte er mit einer Verbeugung: »Guten Abend, Mrs. Mulgrew«, und ging an der völlig überraschten Frau einfach vorbei.
    Ken Mulgrew befand sich im Wohnzimmer. Das Sakko hatte er ausgezogen, in der Hand hielt er ein großes Glas Whiskey. Er fuhr herum. »Hey, mit welchem Recht platz.«
    Das war bis auf weiteres das letzte, was er ohne ein höchst unangenehmes Pfeifen sagen sollte. Monk schlug zu. Er drosch ihm die Faust auf die Lippen, und zwar mit aller Kraft.
    Mulgrew war der größere von beiden. Aber er hatte keine Kondition und litt unter den Folgen eines äußerst feuchten Mittagessens. Er war im Büro gewesen, doch hatte an diesem Tag keiner etwas zuwege gebracht. Gelähmt vor Entsetzen, hatten sie alle im Flüsterton über die Nachricht diskutiert, die sich wie ein Lauffeuer im ganzen Haus verbreitete.
    Monk rammte ihm insgesamt viermal die Faust ins Gesicht. Je einmal für jeden seiner verratenen Agenten. Er

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