Das schwarze Manifest
Panzerfahrer mehr!« schrie er und wandte sich plötzlich an den flachsblonden Jugendlichen. »Kannst du die Scheißdinger fahren?«
»Ja, Genosse, aber ich muß nach Tankograd zurück.«
»Unmöglich. Du kannst fahren. Damit bist du eingezogen.«
Der Zug dampfte ohne Kolja nach Osten. Und der gemeine Soldat Nikolai Nikolajew fand sich in einem groben Baumwollkittel im Innern eines KV1 wieder, der auf die Stadt Prochorowka zurollte. Die Schlacht um Kursk begann zwei Wochen später.
Auch wenn immer wieder von einer »Schlacht« die Rede ist, handelte es sich in Wirklichkeit um eine Serie ungemein blutiger Gefechte, die auf dem gesamten Gebiet der Enklave mit äußerster Verbissenheit geführt wurden und sich über zwei Monate hinzogen. Bis heute hat es auf der ganzen Welt keine größere Panzerschlacht gegeben. Auf beiden Seiten wurden insgesamt sechstausend Panzer, viertausend Flugzeuge und zwei Millionen Männer eingesetzt. Nach langem, wütendem Ringen erwies sich, daß die deutschen Panzer doch nicht unbesiegbar waren. Aber das Ende war bis zum Schluß offen.
Die deutsche Wehrmacht benutzte erstmals ihre neue Wunderwaffe, den »Tiger«, mit einer furchterregenden 88-Millimeter-Kanone im Turm, von der es hieß, sie könne alles, was ihr in den Weg kam, einfach »wegpusten«. Der KV1 war noch mit einer viel kleineren 72-Millimeter-Kanone bestückt, obwohl der ZIS-5, den Nikolai geliefert hatte, ein Geschütz von größerer Reichweite besaß.
Am zwölften Juli begann die sowjetische Gegenoffensive, mit der sich die Entscheidung anbahnen sollte. Nikolais Trupp hatte nur noch sechs KV1, als der Kommandant fünf neue anrollende Tanks erblickte. In der Annahme, es seien Panzer vom Typ IV, gab er den Befehl zum Angriff. So rollten die sechs KV1 in einer Reihe aus der Deckung über den Berg und in ein Tal hinunter, auf dessen anderen Seite die Deutschen Stellung bezogen hatten.
Nun, der Kommandant hatte sich getäuscht. Die angeblichen IV-Panzer stellten sich als deutsche Tiger heraus, die mit ihren schweren Geschützen einen nach dem anderen der sich nähernden KV1 zerstörten.
Nikolais Panzer wurde zweimal schwer getroffen. Die erste Granate zerfetzte die rechte Außenumwandung. Die zweite prallte vom Turm ab und landete irgendwo im Wald, doch sie tötete vier Besatzungsmitglieder.
Zu fünft hatten sie im KV1 gesessen. Nikolai, der völlig unter Schock stand, von einem schweren Schlag am Kopf getroffen, der ganze Körper von Blutergüssen übersät, versuchte, sich aus diesem Grab zu befreien. Dieselöl floß über den heißen Stahl. Er stieß die toten Körper beiseite. Kommandant und Richtschütze hingen über dem Geschütz. Aus Mund, Nase und Ohren liefen ihnen Blut und Schleim. Durch das Loch in der Wand konnte Nikolai die Tiger an den rauchenden Trümmern der anderen KV1 vorbeirattern sehen.
Zu seiner Überraschung stellte der junge Soldat fest, daß der Geschützturm immer noch funktionsfähig war. Er hatte die Kanone noch nie selbst bedient, aber oft genug gesehen, wie es gemacht wurde. Und obwohl diese Arbeit immer zwei Männer verrichteten, lud er sie nun ganz allein. Er war von dem schweren Schlag und dem Dieselgeruch ganz benommen, aber er drehte den Turm in Richtung der deutschen Panzer, nahm einen Tiger ins Visier und gab Feuer.
Zufällig hatte er sich den letzten der fünf ausgesucht, so daß die anderen nichts bemerkten. Er lud sofort nach, fand ein zweites Ziel und schoß erneut. Der Tiger wurde genau zwischen Außenwand und Turm getroffen und explodierte. Irgendwo unter seinen Füßen hörte Nikolai ein leises Prasseln. Flammen krochen über das Gras und breiteten sich sofort aus, als sie auf Öllachen stießen. Nach dem zweiten Treffer bemerkten die verbliebenen drei Panzer den Hinterhalt und wendeten. Nikolai traf einen dabei voll in die Flanke. Die anderen überstanden das Wendemanöver und näherten sich ihm. Jetzt gab sich der junge Mann keine Überlebenschance mehr.
In seiner Verzweiflung warf er sich zu Boden und stürzte durch das Loch ins Freie. Einen Wimpernschlag später zerstörten die Tiger den Geschützturm, und die Munition explodierte. Nikolai spürte, daß auch sein Hemd Feuer fing. Ohne genau zu wissen, was er tat, wälzte er sich im hohen Gras vom Wrack seines Panzers weg.
Dann geschah etwas völlig Unerwartetes. Noch konnte er sie nicht sehen, aber zehn Panzer vom Typ SU 152 tauchten am Bergkamm über ihm auf, woraufhin die Tiger den Rückzug antraten. In atemberaubendem
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