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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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sich von selbst, sonst hörte der alte Mann unter Umständen nicht mehr zu oder – schlimmer noch – verlor die Geduld.
    »Das glaube ich nicht!« schnaubte der General, als Monk geendet hatte. »Sie kommen mit einer an den Haaren herbeigezogenen Räuberpistole zu mir und.«
    »Wenn es eine Räuberpistole wäre, dann wären nicht drei Männer deswegen gestorben. Aber es ist die Wahrheit. Haben Sie heute abend noch etwas Besonderes vor?«
    »Äh, nein, warum?«
    »Warum legen Sie dann nicht Pawel Gratschows Memoiren beiseite und lesen Igor Komarows wahre Pläne? Einige Teile werden Ihnen gefallen, das über die Nachrüstung der Armee zum Beispiel. Aber sie soll nicht der Verteidigung des Vaterlands dienen; Rußland droht ja von außen keinerlei Gefahr. Vielmehr soll eine Armee zur Durchführung eines Völkermords geschaffen werden. Vielleicht mögen Sie Juden, Tschetschenen, Georgier, Ukrainer und Armenier nicht besonders, aber auch sie saßen in den Panzern, die Sie befehligten. Sie kämpften um Kursk und Bagration, um Berlin und Kabul. Warum opfern Sie dann nicht ein paar Minuten und erfahren, was Komarow für Sie in petto hat?«
    General Nikolajew starrte den Amerikaner an, der ein Vierteljahrhundert jünger war als er. »Trinken die Yankees Wodka?« brummte er schließlich.
    »In eiskalten Nächten mitten in Rußland auf alle Fälle.«
    »Da drüben steht eine Flasche. Bedienen Sie sich.«
    Während der alte Mann las, schenkte sich Monk ein Glas Wodka ein und dachte an die Informationen, die man ihm in Castle Forbes mit auf den Weg gegeben hatte.
    »Er ist wahrscheinlich der letzte der russischen Generäle, die noch an den alten Ehrbegriff glauben«, hatte ihm sein russischer Tutor Oleg erklärt. »Er ist nicht dumm, und er kennt keine Angst. In Rußland gibt es zehn Millionen Veteranen, die immer noch Onkel Kolja gehorchen würden.«
    Nach dem Fall Berlins und einem Jahr Dienst in der besetzten Zone wurde der junge Major Nikolajew nach Moskau auf die Offiziersakademie geschickt. Im Sommer 1950 ernannte man ihn zum Kommandanten der sieben Panzerregimenter am Fluß Jalu im Fernen Osten.
    In dieser Zeit tobte in Korea ein erbitterter Krieg. Nachdem die Nordkoreaner den Süden fast ganz erobert hatten, wurden sie von den Amerikanern zurückgedrängt. Stalin zog ernsthaft in Erwägung, die Beute durch den Einsatz von Panzern gegen die Amerikaner zu sichern. Zwei Gründe hielten ihn dann doch davon ab: kluge Ratgeber und seine eigene Paranoia. Die neuen Panzer vom Typ IS-4 waren so ultrageheim, daß die Welt nichts von ihrer Existenz erfahren durfte; außerdem wollte Stalin keinen einzigen davon verlieren. So wurde Nikolajew im Sommer 1951 als Oberstleutnant nach Potsdam abberufen. Damals war er gerade erst fünfundzwanzig.
    Mit dreißig befehligte er einen Sondereinsatz beim Volksaufstand in Ungarn. Dabei zog er sich zum erstenmal den Zorn des sowjetischen Botschafters Juri Andropow zu, der später fünfzehn Jahre lang Direktor des KGB und gegen Ende seines Lebens Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion war. Oberstleutnant Nikolajew weigerte sich, seine Panzer auf die in den Budapester Straßen protestierenden Zivilisten zu richten.
    »Das sind doch zu siebzig Prozent Frauen und Kinder«, erklärte er dem Botschafter und Architekten der Niederschlagung des Volksaufstands. »Sie werfen ja nur mit Steinen. Und Steine können Panzern nichts anhaben.«
    »Die müssen wir Mores lehren!« brüllte Andropow. »Setzen Sie Ihre Maschinengewehre ein!«
    Nikolajew hatte miterlebt, was Maschinengewehre unter dichtgedrängten Volksmassen anrichten können. Smolensk im Jahr 1941 war so ein Fall. Seine Eltern waren dabeigewesen.
    »Wenn Sie es wollen, dann tun Sie es selbst«, beschied er Andropow. Ein hoher General versuchte zu vermitteln, doch eine ganze Weile hing Nikolajews Karriere an einem seidenen Faden. Andropow konnte sehr nachtragend sein.
    Von Anfang bis Mitte der sechziger Jahre wurde Nikolajew auf einen Außenposten an den Ufern des Amur und des Ussuri versetzt. Jenseits des Flusses fing bereits das chinesische Reich an. In dieser Zeit war sich Chruschtschow lange unschlüssig, ob er Mao Tsetung eine Lektion in Sachen Panzerkriegführung erteilen sollte oder nicht.
    Nun, Chruschtschow wurde gestürzt, Breschnew kam an die Macht, die Krise wurde entschärft, und Nikolajew war froh, daß er das öde Land an der mandschurischen Grenze verlassen und wieder nach Moskau zurückkehren konnte.
    1968

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