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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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für seine Antimafiabande und die Leute aus seiner Truppe keinen Platz geben. Er ging zurück ins Wohnzimmer.
    Der Trickfilm war vorbei. Jetzt würde er nie erfahren, ob der Kojote den Roadrunner zum Abendessen verspeist hatte oder nicht.
    »Ich gehe noch mal ins Büro«, sagte er zu seiner Frau. »Ich werde die ganze Nacht fortbleiben und komme morgen erst spät zurück.«
    Im Winter fluten die Stadtbehörden gewöhnlich die Pfade und Wege des Gorkiparks, und da das Wasser gleich steinhart gefriert, entsteht so die größte Eisbahn des Landes. Das Eis erstreckt sich meilenweit und ist bei Moskowitern jeden Alters und aller Klassen beliebt, die ihre Schlittschuhe und einen guten Vorrat Wodka mitbringen, um eine Zeitlang ihre Sorgen und Probleme auf der weiten Fläche zu vergessen.
    Einige Zufahrten bleiben eisfrei und enden auf kleinen Parkplätzen. Zehn Tage vor Weihnachten trafen sich auf einem dieser Plätze zwei dick eingemummte Männer mit Pelzmützen. Sie stiegen aus ihren Wagen und blickten über das Eis, auf dem sich Schlittschuhläufer tummelten und einander umkreisten.
    Der eine war Anatoli Grischin, der andere ein einsamer Mann, der in der Unterwelt unter dem Namen
Mekhanik,
der »Mechaniker«, bekannt war.
    Killer gab es in Rußland für wenige Rubel dutzendweise, doch für mehrere Mafiabanden, vor allem aber für die Dolgoruki war der Mechaniker etwas Besonderes.
    Er stammte eigentlich aus der Ukraine, ein ehemaliger Major der Armee, der vor Jahren zu den Sondereinheiten der Speznas und von dort zur Spionageabteilung der GRU abkommandiert worden war. Im Anschluß an die Sprachenschule war er zweimal in Westeuropa stationiert gewesen. Nach seiner Entlassung aus der Armee hatte er begriffen, daß er mit seiner Kenntnis der englischen und französischen Sprache, seiner Fähigkeit, sich problemlos in Gesellschaften, die den meisten Russen fremd und eigentümlich erschienen, bewegen zu können, sowie seinem Mangel an Hemmungen, wenn es darum ging, einen Menschen zu töten, einer lukrativeren Beschäftigung nachgehen konnte.
    »Mir wurde gesagt, daß Sie mich sehen wollen«, sagte er.
    Er wußte, wer Oberst Grischin war, und er wußte auch, daß der Sicherheitschef der UPK ihn kaum innerhalb Rußlands benötigen würde. Bei der Schwarzen Garde, um von der Dolgoruki-Mafia gar nicht erst zu reden, gab es genügend schießwütige Leute, die nur auf einen entsprechenden Befehl warteten. Doch im Ausland zu arbeiten, das war längst nicht so einfach.
    Grischin reichte ihm ein Foto. Der Mechaniker starrte es an und drehte es um. Auf der Rückseite standen in Maschinenschrift ein Name und die Adresse eines weit im Westen gelegenen Landhauses.
    »Ein Prinz«, murmelte er. »Ich werde immer besser.«
    »Behalten Sie Ihren Sinn für Humor für sich«, sagte Grischin. »Ein leichtes Ziel. Kein nennenswerter Personenschutz. Bis zum fünfundzwanzigsten Dezember.«
    Der Mechaniker dachte nach. Zu schnell. Er brauchte Zeit, um sich vorzubereiten. Er lebte noch und war noch auf freiem Fuß, weil er alles sorgfältig anging, und das brauchte seine Zeit.
    »Neujahr«, sagte er.
    »Also gut. Sie haben Ihren Preis.«
    Der Mechaniker nannte ihn.
    »Einverstanden.«
    Weiße Atemwolken stiegen von beiden Männern auf. Der Mechaniker erinnerte sich, im Fernsehen eine Versammlung eines charismatischen jungen Erweckungspredigers gesehen zu haben, der für eine Rückkehr zu Gott und eine Wiederkehr des Zaren gebetet hatte. Darauf also wollte Grischin hinaus. Er bedauerte es, nicht das Doppelte verlangt zu haben.
    »Das ist alles?« fragte er.
    »Falls Sie nicht noch mehr wissen wollen.«
    Der Killer steckte das Foto in seinen Mantel.
    »Nein«, sagte er, »ich denke, ich weiß alles, was ich wissen muß. Immer wieder schön, mit Ihnen Geschäfte zu machen, Oberst.«
    Grischin drehte sich um und packte den Mann am Arm. Der Mechaniker sah auf die behandschuhte Hand, bis sie den Griff löste. Er mochte es nicht, wenn man ihn anfaßte.
    »Es darf keine Fehler geben, keine Verwechslung, keine Verzögerung.«
    »Ich mache keine Fehler, Oberst, sonst hätten Sie nicht nach mir verlangt. Ich schicke Ihnen die Nummer meines Kontos in Liechtenstein per Post. Guten Tag.«
    In den frühen Morgenstunden, kurz nach der Begegnung an der Eisbahn im Gorkipark, ließ General Petrowski gleichzeitig sechs Razzien durchführen.
    Die beiden Verräter wurden zu einem Essen in das Offizierscasino der SOBR eingeladen und so lange mit Wodka abgefüllt, bis sie

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