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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Engländer recht hatte. Alle starrten Komarow an. Erst jetzt begann der wahre Tumult.
    Und dann machte er seinen dritten Fehler. Er verlor die Nerven. »Ich bleib' hier nicht länger, um mir diese Scheiße anzuhören!« schrie er und stürmte von der Bühne, gefolgt von einem unglücklichen Kusnezow.
    Im Hintergrund des Saals stand Oberst Grischin im Schatten eines Vorhangs und funkelte die Presse haßerfüllt an. Nicht mehr lange, schwor er sich, nicht mehr lange.
    In der südwestlichen Ecke der Innenstadt Moskaus, auf einer Landzunge, die von einer engen Schleife in der Moskwa gebildet wird, steht das mittelalterliche Kloster Nowodewitschi, und im Schatten seiner Mauern liegt der große Friedhof.
    Auf zwanzig Morgen Land, überschattet von Kiefern, Birken, Weiden und Linden, liegen in zwanzigtausend Gräbern die Großen Rußlands aus zwei Jahrhunderten versammelt.
    Der Friedhof ist in elf größere Gärten unterteilt. Gräber aus dem neunzehnten Jahrhundert befinden sich ausschließlich in Nummer eins bis vier, deren Areal auf der einen Seite von der Klostermauer, auf der anderen von der zentralen Friedhofsumfassung begrenzt wird.
    Die Nummern fünf bis acht liegen zwischen der Umfassung und der eigentlichen Friedhofsmauer, hinter der die Laster über die Khamownitschesky Val donnern. Hier liegen die Großen und die Übeltäter der kommunistischen Zeit. Marschälle, Politiker, Wissenschaftler, Akademiker, Schriftsteller und Kosmonauten kann man hier entlang der Pfade und Gassen finden; schlichte Grabsteine stehen neben pompösen Monumenten der Selbstverherrlichung.
    Gagarin, der Kosmonaut, der beim Flug mit einem neuen Prototyp starb, voll mit Wodka, liegt hier wenige Schritte neben dem rundköpfigen Abbild Nikita Chruschtschows. Flugzeugmodelle, Modelle von Raketen und Kanonen bezeugen, was diese Männer in ihrem Leben getrieben haben, andere Gestalten starren heroisch in die Vergangenheit, die Brust mit granitenen Medaillen übersät.
    Am Ende des Mittelwegs steht eine weitere Mauer, in der sich ein schmaler Durchgang zu drei kleinen Gärten öffnet, zu den Nummern neun, zehn und elf. Hier war der Platz im Winter 1999 überaus rar geworden, doch für den Armeegeneral Nikolai Nikolajew war eine Grabstelle reserviert worden, und am sechsundzwanzigsten Dezember trug der Neffe Mischa Andrejew hier seinen Onkel Kolja zu Grabe.
    Er hatte das Begräbnis so zu arrangieren versucht, wie es sich der alte Mann bei ihrem letzten gemeinsamen Essen gewünscht hatte. Zwanzig Generäle waren anwesend, der Verteidigungsminister eingeschlossen, und einer der beiden Metropoliten Moskaus hielt die Andacht.
    Mit allem Pomp hatte es der alte Kämpe gewollt, also schwangen die Ministranten die Weihrauchfässer, und der aromatische Duft stieg in Schwaden in die bitterkalte Luft.
    Der Grabstein war wie ein Kreuz geformt und aus Granit, doch das Gesicht des Toten war nicht eingemeißelt, statt dessen stand dort nur sein Name und darunter die Worte:
Russki Soldat,
ein russischer Soldat.
    Generalmajor Andrejew hielt die Grabrede. Er faßte sich kurz. Onkel Kolja wollte zwar wie ein Christ beerdigt werden, aber überschwengliche Lobreden hatte er immer gehaßt.
    Während der Bischof zum Schlußgebet ansetzte, legte der Generalmajor die drei dunkelroten Bänder und die goldene Medaille des Helden der Sowjetunion auf den Sarg, der von acht seiner Soldaten aus der Division Tamanskaja getragen wurde. Langsam ließen sie ihn in die Erde sinken. Andrejew trat einen Schritt zurück und salutierte. Die zwei Minister und die übrigen achtzehn Generäle taten es ihm nach.
    Als sie über den Mittelweg zurück zum Eingang und zum Trauerzug der wartenden Wagen und Limousinen gingen, legte der stellvertretende Verteidigungsminister, General Butow, eine Hand auf Generalmajor Andrejews Schulter.
    »Eine schreckliche Geschichte«, sagte er, »entsetzlich, wenn man so abtreten muß.«
    »Eines Tages«, sagte Andrejew, »werde ich sie mir schnappen, und dann werden sie dafür büßen.«
    Butow schien offenbar peinlich berührt. Er war ein Politiker, ein Schreibtischhengst, der niemals irgendwelche Truppen befehligt hatte.
    »Nun ja, ich bin sic her, daß die Miliz ihr Bestes tut«, sagte er.
    Auf dem Bürgersteig schüttelten die Generäle ihm feierlich die Hand, einer nach dem anderen, dann stiegen sie in ihre Dienstwagen und eilten davon. Generalmajor Andrejews Wagen wartete ebenfalls auf ihn und brachte ihn zurück in die Kaserne.
    Als am frühen Nachmittag

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