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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Haus, eine einsame Hütte oder
ischba,
weit draußen in einem südöstlichen Vorort Moskaus, im Distrikt Nagatino.
    Der alte Mann, der ihm öffnete, war unrasiert, und ein Wollpullover flatterte um seinen ausgezehrten Körper. Komarow konnte nicht wissen, daß dieser Mann einst ein geachteter Professor an der Moskauer Universität gewesen war, bis er mit dem kommunistischen Regime brach und für seine Studenten einen Aufsatz veröffentlichte, in dem er eine demokratische Regierung forderte.
    Das war lange vor den Reformen gewesen. Später hatte man ihn rehabilitiert, zu spät, als daß es ihm noch etwas bedeutet hätte, außerdem war eine kleine Rente für ihn ausgesetzt worden. Damals hatte er sich glücklich geschätzt, weil er nicht ins Lager mußte. Seine Arbeit und seine Wohnung hatten sie ihm natürlich genommen, und zum Straßenkehrer hatten sie ihn gemacht.
    So wurde dergleichen bei den Kommunisten geregelt. Wenn der Missetäter nicht in den Lagern für antisowjetische Aktivitäten verschwand, wurde er einfach aller lebenserhaltenden Systeme beraubt. Nun, den tschechischen Premierminister Alexander Dubcek hatten sie gezwungen, Holz zu fällen.
    Daß er überhaupt überlebt hatte, verdankte er einem Mann in seinem Alter, der eines Tages neben ihm auf der Straße gestanden und ihn in passablem Russisch mit englischem Akzent angesprochen hatte. Sir Nigel Irvines Namen hatte er nie erfahren, er nannte ihn einfach nur
lisa,
den Fuchs. Der Spion aus der Botschaft wollte eigentlich nicht viel, verlangte nur hin und wieder eine helfende Hand. Kleinigkeiten mit geringem Risiko, aber die Hundertdollarscheine hatten Leib und Seele zusammengehalten.
    An diesem Winterabend zwanzig Jahre später starrte er den jungen Mann vor seiner Tür an und sagte:
»Da?«
    »Ich habe einen Leckerbissen für den Fuchs«, sagte Monk, Der alte Mann nickte und streckte die Hand aus. Monk gab ihm das winzige Röhrchen; der Mann trat zurück und schloß die Tür. Monk drehte sich um und ging zum Wagen zurück.
    Um Mitternacht wurde die kleine Martti, das Röhrchen um ein Bein geschnallt, freigelassen. Wochen vorher hatten Mitch und Ciaran sie auf ihrer langen Fahrt von Finnland nach Moskau mitgenommen, und Brian Vincent hatte sie abgeliefert, da er russische Karten lesen konnte und das seltsame Haus schließlich gefunden hatte.
    Martti stand einen Augenblick auf dem kleinen Vorsprung, dann breitete sie die Flügel aus und stieg in Spiralen in den kalten Nachthimmel über Moskau auf. Sie flog über dreihundert Meter hoch, dorthin, wo die Kälte einen Menschen in einen frosterstarrten Klumpen verwandelt hätte.
    Im selben Augenblick begann einer der InTelCor-Satelliten seine Bahn über die gefrorenen Steppen Rußlands zu ziehen. Entsprechend seiner Programmierung sandte er die kodierte Nachricht: »Bist du da, Baby?« in die Stadt hinunter und wußte nicht, daß er sein elektronisches Kind zuvor vernichtet hatte.
    Am Rand der Hauptstadt warteten die Lauscher der SZKI an ihren Bildschirmen auf jenes Signal, das ihnen verriet, daß der von Oberst Grischin gesuchte Agent eine Nachricht ausgeschickt hatte, denn nur dann konnten die Triangulatoren die Quelle der Sendung bis auf ein Gebäude genau bestimmen.
    Der Satellit zog davon, und das Signal blieb aus.
    Ein magnetischer Impuls in Marttis winzigem Köpfchen verriet ihr, daß ihr Heim, jener Ort, wo sie drei Jahre zuvor als blindes und hilfloses Küken aus dem Ei geschlüpft war, im Norden lag. Also wandte sie sich nach Norden, drehte in den bitterkalten Wind und flog Stunde um Stunde durch Dunkelheit und Kälte, einzig von dem Verlangen getrieben heimzukehren, dorthin, wohin sie gehörte.
    Niemand sah sie. Niemand sah sie die Stadt verlassen oder die Küste überqueren, die Lichter von St. Petersburg zu ihrer Rechten. Sie flog einfach weiter und immer weiter mit der Nachricht und ihrem Verlangen heimzukehren. Sechzehn Stunden, nachdem sie Moskau verlassen hatte, flatterte sie durchgefroren und erschöpft durch eine Dachgeschoßluke am Rand von Helsinki. Warme Hände nahmen die Nachricht von ihrem Bein ab, und drei Stunden später las Sir Nigel Irvine sie in London.
    Er lächelte, als er den Text las. Die Nachricht hatte ihn auf schnellstem Weg erreicht und sagte ihm, daß Jason Monk noch eine letzte Aufgabe zu erledigen hatte, ehe er wieder so lange untertauchen würde, bis er das Land sicher verlassen konnte. Doch selbst Irvine hätte nicht genau sagen können, was dieser verrückte Virginier

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