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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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allmählich die Winterdämmerung einsetzte, eilte acht Kilometer vom Friedhof entfernt ein untersetzter Priester in Soutane und
Klobuk
durch den Schnee und schlich geduckt in die Zwiebelturmkirche am Slawjanskiplatz. Fünf Minuten später gesellte sich Oberst Anatoli Grischin zu ihm.
    »Sie scheinen beunruhigt zu sein«, sagte der Oberst leise.
    »Ich habe fürchterliche Angst«, sagte der Priester.
    »Das müssen Sie nicht, Pater Maxim. Es hat zwar einige Rückschläge gegeben, aber damit werde ich schon fertig. Sagen Sie, warum ist der Patriarch so plötzlich abgereist?«
    »Ich weiß nicht. Am Morgen des einundzwanzigsten erhielt er einen Anruf aus dem Dreifaltigkeitskloster St. Sergius. Ich wußte nichts davon, weil der Privatsekretär den Anruf entgegengenommen hatte, und erfuhr es erst, als man mir sagte, daß ich seinen Koffer packen soll.«
    »Aber warum St. Sergius?«
    »Das habe ich dann später herausgefunden. Pater Gregor war vom Kloster eingeladen worden, dort eine Predigt zu halten. Und der Patriarch hatte beschlossen, sich diese Predigt anzuhören.«
    »Womit er Gregor und sein lächerliches Unterfangen mit seiner persönlichen Autorität unterstützt hat«, fauchte Grischin. »Ohne selbst auch nur ein Wort zu sagen. Seine Anwesenheit war beredt genug.«
    »Jedenfalls habe ich ihn gefragt, ob ich mitkommen soll. Der Sekretär verneinte, da Seine Heiligkeit nur einen Kosaken als Fahrer und ihn selbst, den Sekretär, mitnehmen wolle. Den beiden Nonnen hatte er einige Tage frei gegeben, damit sie Verwandte besuchen können.«
    »Davon haben Sie mir nichts gesagt, Pater.«
    »Wie hätte ich denn wissen können, daß in der Nacht jemand kommt?« jammerte der Priester.
    »Schon gut, weiter.«
    »Nun, ich mußte hinterher die Miliz anrufen. Der Leichnam des Kosaken lag auf dem oberen Treppenabsatz. Am nächsten Morgen habe ich dann im Kloster angerufen und mit dem Sekretär gesprochen. Ich sagte ihm, es habe einen bewaffneten Einbruch und eine Schießerei gegeben, sonst nichts, aber die Miliz hat diese Version später geändert. Sie behauptete, der Überfall habe Seiner Heiligkeit gegolten.«
    »Und dann?«
    »Der Sekretär rief mich zurück. Er sagte, Seine Heiligkeit sei zutiefst beunruhigt. ›Erschüttert‹ war das Wort, das er gebraucht hatte, vor allem wegen der Ermordung des Kosaken. Jedenfalls blieb er im Kloster und ist erst gestern zurückgekommen. Hauptsächlich wohl, weil er eine Andacht für den Kosaken halten will, ehe der Leichnam zu seinen Verwandten am Don überführt wird.«
    »Also ist er zurück. Haben Sie mich deshalb angerufen?«
    »Nein, natürlich nicht. Es geht um die Wahl.«
    »Um die Wahl brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, Pater Maxim. Trotz des angerichteten Schadens besiegen wir den amtierenden Präsidenten in der ersten Wahlrunde. Und in der Stichwahl wird Igor Komarow über den Kommunisten Sjuganow triumphieren.«
    »Darum geht es ja gerade, Oberst. Heute morgen fuhr Seine Heiligkeit zum Starajaplatz zu einem privaten Treffen mit dem amtierenden Präsidenten, das auf seinen eigenen Wunsch zustande kam. Offenbar waren auch zwei Generäle der Miliz und einige andere Leute anwesend.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Er kam zum Mittagessen zurück. Er nahm das Essen in seinem Arbeitszimmer ein, allein, nur sein Privatsekretär war bei ihm. Ich habe aufgetragen, und sie haben mich nicht weiter beachtet. Beim Essen sprachen sie dann über den Entschluß, zu dem Iwan Markow sich durchgerungen hat.«
    »Was für einen Entschluß?«
    Pater Maxim Klimowski zitterte wie Espenlaub. Die Flamme der Kerze in seiner Hand flackerte, und ihr Licht huschte unstet über das Gesicht der Muttergottes an der Wand.
    »Beruhigen Sie sich, Pater.«
    »Das kann ich nicht. Sie müssen meine Lage verstehen, Oberst. Ich habe für Sie getan, was ich konnte, weil ich an Komarows Vision eines neuen Rußland geglaubt habe, aber jetzt kann ich nicht mehr. Der Überfall auf das Haus, das Treffen heute, das wird mir alles zu gefährlich.«
    Er zuckte zusammen, als sein Oberarm von einem stahlharten Griff umklammert wurde.
    »Sie können sich jetzt nicht einfach zurückziehen, Pater Maxim, dafür stecken Sie viel zu tief drin. Wo wollten Sie denn auch hin? Ihnen bleibt doch trotz Soutane und Priesterweihe nur die Möglichkeit, entweder wieder als Kellner zu arbeiten oder in einundzwanzig Tagen mit Igor Komarow und mir selbst zu unerhörten Höhen aufzusteigen. Also, worum ging es bei diesem Treffen mit dem

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