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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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amtierenden Präsidenten?«
    »Es wird keine Wahl geben?«
    »WAS?«
    »Na ja, es gibt eine Wahl. Aber nicht mit Komarow.«
    »Das wird er nicht wagen«, flüsterte Grischin. »Der erklärt Igor Komarow doch niemals für unfähig, mehr als das halbe Land unterstützt uns.«
    »Sie gehen viel weiter, Oberst. Ich glaube, die Generäle haben darauf bestanden. Die Ermordung des alten Generals und die Attentatsversuche auf den Bankier, den Polizisten und vor allem auf Seine Heiligkeit haben sie offenbar dazu veranlaßt.«
    »Zu was veranlaßt?«
    »Am ersten Januar. Am Neujahrstag. Sie glauben, alle haben dann wie immer so gefeiert, daß sie zu keinem gemeinsamen Vorgehen mehr fähig sind.«
    »Wer ist alle? Was für ein Vorgehen? Erklären Sie, Mann.«
    »Alle Ihre Leute. Alle, die Sie befehlen. Es geht um Ihre Verteidigung. Man will ein Heer von vierzigtausend Mann aufstellen. Die Präsidentengarde, die Schnelle Eingreiftruppe der SOBR und der OMON, einige Einheiten der Spesnaz, die Elite der in Moskau stationierten Truppen des Innenministeriums.«
    »Und wozu?«
    »Um alle zu verhaften. Unter Anklage der Verschwörung gegen den Staat. Die Schwarze Garde niederwerfen, sie in ihren Kasernen verhaften oder vernichten.«
    »Das können sie nicht. Sie haben keine Beweise.«
    »Offenbar ist ein Offizier der Schwarzen Garde bereit auszusagen. Ich habe gehört, wie der Privatsekretär den gleichen Einwand vorbrachte, und so lautete die Antwort des Patriarchen.«
    Oberst Grischin sah aus, als habe ihn der Schlag getroffen. Ein Teil seines Verstands sagte ihm, daß diese Schlappschwänze nicht den Mumm hatten, so etwas durchzuziehen. Ein anderer Teil sagte ihm, daß es durchaus stimmen konnte. Igor Komarow hatte sich nie dazu herabgelassen, die Schlangengrube der Duma zu betreten. Er war Vorsitzender der Partei, aber kein Mitglied der Duma und besaß deshalb auch keine parlamentarische Immunität. Ebensowenig wie er selbst, Anatoli Grischin.
    Falls es wirklich einen hohen Offizier der Schwarzen Garde gab, der zur Aussage bereit war, konnte der Moskauer Staatsanwalt die Haftbefehle ausstellen und sie wenigstens bis zur Wahl in Untersuchungshaft stecken.
    Als Verhörspezialist hatte Grischin erlebt, wozu Menschen in der Lage waren, die in Panik gerieten, wie sie von einem Gebäude sprangen, sich vor einen Zug warfen oder sich in einen elektrisch geladenen Zaun stürzten.
    Wenn der amtierende Präsident und die Männer um ihn herum, die Prätorianergarde, die Generäle der Antimafiaeinheiten, die Milizkommandanten, wenn sie alle begriffen hatten, was sie nach Komarows Wahlsieg erwartete, dann könnten sie sich durchaus in diesem Zustand der Panik befinden.
    »Kehren Sie in die Residenz des Patriarchen zurück, Pater Maxim«, sagte er schließlich, »und denken Sie daran, was ich Ihnen gesagt habe. Sie stecken viel zu tief in unserer Sache drin, als daß Sie beim gegenwärtigen Regime noch Zuflucht finden könnten. Ihre einzige Hoffnung ist ein Sieg der UPK. Ich will wissen, was passiert, will jedes Wort hören, das Sie aufschnappen können, will über jede weitere Entwicklung, über jedes Treffen und jede Besprechung informiert werden. Von heute bis zum Neujahrstag.«
    Dankbar huschte der verängstigte Priester davon. In den nächsten sechs Stunden erkrankte seine ältliche Mutter an einer schweren Grippe. Bis zu ihrer Genesung bat er seinen liebenswürdigen Patriarchen um Urlaub, der ihm auch prompt gewährt wurde. Bei Anbruch der Dämmerung saß er im Zug nach Tschitomir. Er hatte sein Bestes getan, sagte er sich. Er hatte alles getan, worum man ihn gebeten hatte, sogar noch mehr. Doch selbst der Erzengel Michael und all seine Heerscharen würden ihn nicht einen Augenblick länger in Moskau halten können.
    An diesem Abend setzte Jason Monk seine letzte Nachricht an den Westen auf. Ohne Computer schrieb er langsam und sorgsam in Großbuchstaben, bis er zwei DIN-A4-Blätter bedeckt hatte. Dann knipste er die Tischlampe an, nahm die kleine Kamera, die Umar Gunajew ihm besorgt hatte, fotografierte beide Seiten mehrmals, verbrannte dann die beiden Blätter und spülte die Asche die Toilette hinunter.
    Im Dunkeln nahm er den belichteten Film heraus und steckte ihn in den kleinen Behälter, in dem er verkauft worden war. Das Röhrchen war kaum größer als das letzte Glied seines kleinen Fingers.
    Um halb zehn fuhren Magomed und seine beiden anderen Leibwächter ihn zu der Adresse, die er ihnen genannt hatte. Es war ein bescheidenes

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