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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Witali Bojarow, der fuchsteufelswild war.
    »Das ganze Unternehmen ist ein völliger
rasebaistwo
gewesen!« wütete er. Selbst unter Generälen waren solche Kraftausdrücke sehr beliebt, weil sie soldatische Rauhbeinigkeit und eine Herkunft aus der Arbeiterklasse bewiesen. Das Wort bedeutet »üble Rumfickerei«.
    »Soll nicht wieder passieren«, murmelte Krjutschkow bedrückt.
    »Ich schlage vor«, sagte der Vorsitzende, »daß wir uns auf eine Arbeitsteilung einigen, an die wir uns in Zukunft halten wollen. Auf dem Staatsgebiet der Sowjetunion werden Verräter nur von der Zweiten Hauptverwaltung verhaftet und verhört. Sollten in Zukunft weitere Verräter identifiziert werden, wird dieses Verfahren eingehalten. Ist das klar?«
    »Es wird weitere geben«, murmelte Krjutschkow. »Insgesamt noch dreizehn.«
    Daraufhin herrschte mehrere Sekunden lang Schweigen.
    »Wie sollen wir das verstehen, Wladimir Alexandrowitsch?« fragte der Vorsitzende ruhig.
    Nun schilderte Krjutschkow, was sich vor sechs Wochen in Chadwick's in Washington ereignet hatte. Bojarow stieß einen langen Pfiff aus.
    »Was haben Sie in dieser Sache unternommen?« fragte Tschebrikow.
    »Wir haben eine Sonderkommission aufgestellt, die das Material auswertet. Sie wird nacheinander vierzehn Männer identifizieren – nun, jetzt noch dreizehn –, die für die CIA arbeiten. Lauter Russen. Bei einigen kann die Identifizierung länger dauern als bei den meisten anderen.«
    General Tschebrikow traf seine Entscheidung noch am selben Tag. Die Gruppe Kolokol draußen in Jasenewo würde das Material auswerten. Das war Aufgabe der Auslandsaufklärung. Aber sobald ein Verräter identifiziert war, würde sein Name der gemeinsamen Krysolow-(Rattenfänger-) Kommission gemeldet werden, damit der Mann verhaftet und verhört werden konnte. Die Zweite Hauptverwaltung würde für Festnahme und Inhaftierung zuständig sein. Bei allen Verhören würden Offiziere der Ersten Hauptverwaltung anwesend sein, weil sie am besten wußten, welche Fragen zu stellen waren und welche Antworten sie brauchten.
    Im übrigen würde die Zweite Hauptverwaltung über Haftfortdauer und Anklageerhebung entscheiden, und jedem Mangel an Auskunfts- oder Geständnisfreudigkeit würde von ihr auf bewährte Weise abgeholfen werden.
    Innerhalb einer Woche erstattete General Tschebrikow, der auf diesen KGB-Erfolg stolz war, Michail Gorbatschow ausführlich Bericht. Aber statt seine Begeisterung über den größten Spionagecoup der Neuzeit gegen die Amerikaner zu teilen, war der neue Generalsekretär, der erst seit März im Amt war, entsetzt darüber, in welchem Umfang und auf welcher Ebene die CIA die sowjetische Gesellschaft und vor allem ihre beiden Geheimdienste, den KGB und den Militärgeheimdienst GRU, unterwandert hatte.
    Er setzte sich über die Empfehlung des KGB zu behutsamem Vorgehen hinweg und ordnete an, alle von Aldrich Ames Enttarnten seien sofort zu verhaften – oder jedenfalls so bald wie möglich.
    Draußen in Jasenewo vermutete der listige alte General Juri Drosdow, früher Leiter der Abteilung für illegale Aktionen, der jetzt an der Spitze der Gruppe Kolokol stand, damit sei Ames erledigt. Aus einem derartigen Blitzkrieg von Verhaftungen eigener Agenten würde Langley schließen, daß es in seinen Reihen einen Maulwurf gab, Ermittlungen anstellen und ihn aufspüren. Zu seiner völligen Verblüffung war das nicht der Fall.
    Inzwischen stellte General Bojarow seine Rattenfängerkommission zusammen – das Team, das die Verräter vernehmen würde, sobald sie identifiziert und verhaftet waren. Als Leiter dieser Gruppe wollte er einen ganz besonderen Mann. Auf seinem Schreibtisch lag die Akte eines Oberst, der erst vierzig, aber sehr erfahren war – ein Vernehmer, bei dem es keine Mißerfolge gab. Er blätterte in der Personalakte.
    Geboren 1945 in Molotow, dem ehemaligen Perm, das inzwischen wieder Perm hieß, weil Stalins Scherge Molotow im Jahr 1957 in Ungnade gefallen war. Sohn eines mehrfach ausgezeichneten Soldaten, der den Krieg überlebt hatte und heimgekehrt war, um einen Sohn zu zeugen.
    Der kleine Tolja wuchs in der grauen Stadt im Norden unter strikter staatlicher Indoktrinierung auf. Aus einer Anmerkung ging hervor, daß sein fanatischer Vater Chruschtschow haßte, weil er seinen Helden Stalin kritisiert hatte, und daß der Junge diese Einstellung seines Vaters übernommen und verinnerlicht hatte.
    Im Jahr 1963 wurde er als Achtzehnjähriger eingezogen und zu den

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