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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Moskau bedeutete das: Verlaß dich lieber nicht drauf.
    Die Meldung nach London war in einem Punkt falsch gewesen. Celia Stone war nicht mit einem Stuhlbein, sondern mit einer kleinen Porzellanfigur niedergeschlagen worden. Sie war zersplittert. Wäre die Figur aus Metall gewesen, würde die junge Frau jetzt nicht mehr leben.
    In der Wohnung ermittelten noch russische Kriminalbeamte, die alle Fragen des englischen Diplomaten bereitwillig beantworteten. Die beiden Milizionäre an der Schranke zum Hof hatten kein russisches Auto eingelassen, also mußten die Männer zu Fuß gekommen sein. An den Milizionären war niemand vorbeigekommen. Das würden sie auf jeden Fall behaupten, sagte Macdonald sich. Da die Wohnungstür nicht aufgesprengt worden war, mußten die Einbrecher sie mit einem Dietrich geöffnet haben – außer sie hatten den passenden Schlüssel gehabt, was unwahrscheinlich war. In diesen schwierigen Zeiten waren sie vermutlich auf der Suche nach Devisen gewesen. Ein höchst bedauerlicher Vorfall. Macdonald nickte.
    Privat verdächtigte er Männer der Schwarzen Garde, in die Wohnung eingedrungen zu sein. Wahrscheinlicher war jedoch eine Auftragsarbeit von Gangstern der hiesigen Unterwelt. Oder von ehemaligen KGB-Leuten – von denen gab es schließlich genug. Moskauer Einbrecher vergriffen sich nur sehr selten an Diplomatenwohnungen; das Risiko war ihnen zu hoch. Autos auf offener Straße waren willkommene Beute, aber nicht bewachte Apartments. Die Durchsuchung war gründlich und professionell gewesen, aber die Eindringlinge hatten nichts mitgenommen – nicht einmal etwas Schmuck aus dem Schlafzimmer. Ein Profijob wegen eines einzigen Gegenstands, der nicht aufgefunden worden war. Macdonald befürchtete das Schlimmste.
    Nach seiner Rückkehr in die Botschaft hatte Macdonald eine Idee: Er rief die Staatsanwaltschaft an und ließ den Kriminalbeamten, der die Ermittlungen leitete, um seinen Besuch bitten. Chefinspektor Tschernow suchte ihn um fünfzehn Uhr auf.
    »Ich kann Ihnen vielleicht behilflich sein«, sagte Macdonald.
    Der Kriminalbeamte zog die Augenbrauen hoch. »Dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar«, antwortete er.
    »Miss Stone, unserer jungen Dame, ist's heute morgen bessergegangen. Viel besser.«
    »Freut mich, das zu hören«, sagte der Chefinspektor.
    »So sehr, daß sie imstande gewesen ist, einen der Angreifer einigermaßen gut zu beschreiben. Sie hat ihn im Licht der Dielenlampe gesehen, bevor sie niedergeschlagen wurde.«
    »Ihrer ersten Aussage nach hat sie keinen der beiden gesehen«, stellte Tschernow fest.
    »In solchen Fällen kommt die Erinnerung manchmal nach einiger Zeit zurück. Sie haben gestern nachmittag mit ihr gesprochen, Chefinspektor?«
    »Ja, um vier Uhr nachmittags. Sie ist wach gewesen.«
    »Aber noch benommen, vermute ich. Heute morgen ist sie in besserer Verfassung gewesen. Die Frau eines unserer Mitarbeiter hier ist zufällig Malerin. Sie hat nach Miss Stones Angaben ein Bild des Einbrechers gezeichnet.«
    Er reichte Tschernow die Fotokopie eines Kohle- und Bleistiftporträts über seinen Schreibtisch. Die Miene des Chefinspektors hellte sich auf.
    »Das ist sehr nützlich«, sagte er. »Ich werde es im Einbruchsdezernat verteilen lassen. In diesem Alter ist der Mann sicher mehrfach vorbestraft.« Er stand auf, um zu gehen. Macdonald erhob sich ebenfalls.
    »Freut mich, wenn ich Ihnen helfen konnte«, sagte er. Sie schüttelten sich die Hand, und der Kriminalbeamte ging.
    In der Mittagspause waren Celia Stone und die Künstlerin in diese neue Version der Entstehungsgeschichte des Porträts eingeweiht worden. Obwohl sie den Grund dafür nicht verstanden, waren beide bereit, sie zu bestätigen, falls der Chefinspektor danach fragte. Er tat es jedoch nie.
    Ebensowenig erkannten die Männer seiner über ganz Moskau verteilten Einbruchskommissionen das Gesicht. Aber sie hängten die Fotokopien trotzdem in ihren Diensträumen auf.
Moskau, Juli 1985
    Nach dem unverhofften Glückstreffer, zu dem Aldrich Ames ihm soeben verhelfen hatte, tat der KGB etwas ziemlich Ungewöhnliche s.
    Zu den eisernen Regeln des großen Spiels gehört, daß ein Dienst, der plötzlich einen wertvollen Informanten mitten im Zentrum des Feindes gewinnt, ihn wirksam schützen muß. Enttarnt die neue Quelle eine ganze Reihe von Verrätern, zieht der frisch aufgeklärte Dienst die Genannten sehr langsam und vorsichtig aus dem Verkehr, wobei er bewußt den Eindruck erweckt, für jede Verhaftung habe es

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