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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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andere Gründe gegeben.
    Erst wenn der Informant den Gefahrenbereich verlassen hat und hinter den eigenen Linien in Sicherheit ist, können die Agenten, die er verraten hat, alle auf einmal verhaftet werden. Wollte man anders vorgehen, könnte man ebensogut eine ganzseitige Anzeige mit folgendem Text in die
New York Times
setzen: »Hallo, Leute! Wir haben jetzt einen wichtigen Maulwurf mitten in eurer Organisation – und seht euch an, was er uns geliefert hat.«
    Da Ames weiter im innersten Zentrum der CIA arbeitete und hoffentlich noch jahrelang gute Dienste leisten würde, hätte die Erste Hauptverwaltung sich lieber an die Spielregeln gehalten und die vierzehn enttarnten Verräter langsam und vorsichtig unschädlich gemacht. Aber in diesem Punkt wurde sie trotz ihrer fast unter Tränen vorgebrachten Einwände von Michail Gorbatschow rigoros überstimmt.
    Bei der Durchsicht des aus Washington angelieferten Materials erkannte die Gruppe Kolokol, daß einige der Beschriebenen auf Anhieb identifizierbar waren, während andere erst durch sorgfältige Ermittlungen aufgespürt werden konnten. Einige der sofort Identifizierbaren waren noch im Ausland stationiert und würden so geschickt in die Heimat zurückgelockt werden müssen, daß sie keinen Verdacht schöpften. Das konnte Monate dauern.
    Ihre zweite Entscheidung betraf die Nichteinschaltung ihrer Konkurrenz von der Zweiten Hauptverwaltung. Da sie Auslandseinsätze gewöhnt waren, war ihnen nicht bewußt, daß sie auf den Straßen Moskaus nur Unterdurchschnittliches leisten würden.
    Anfangen wollten sie, so wurde es beschlossen, mit Oberst Oleg Gordiewski, dem »britischen« Agenten. Schließlich stand er als Ergebnis jahrelanger geduldiger Ermittlungsarbeit bereits in Verdacht. Ames' Beschreibung eines hohen KGB-Offiziers, der erst kürzlich nach Moskau zurückgekehrt war, paßte genau auf Gordiewski und bestätigte seine Schuld. Ohne andere Dienststellen zu informieren, stellte die Erste Hauptverwaltung ihn deshalb in Moskau unter strikte Überwachung, was normalerweise eine Spezialität der Zweiten Hauptverwaltung war. Dieser Versuch endete mit einem Fiasko.
    Gordiewski war kein Dummkopf und wußte, daß seine Zeit ablief. Er hätte niemals heimkehren dürfen. Er hätte dem Drängen seiner Londoner Freunde nachgeben und in Person überlaufen sollen, wie er schon vor zwölf Jahren im Geiste übergelaufen war.
    Es gab ein Verfahren, das die Briten ihm eingebleut hatten – eine Möglichkeit, ihnen selbst unter Überwachung mitzuteilen: »Ich bin in Gefahr, ich brauche SOFORT Hilfe.« Er benutzte es, und sein Hilferuf kam an. Der SIS arbeitete einen Plan aus, um ihn dort herauszuholen, aber dabei hätte die Botschaft mithelfen müssen. Mit Rückendeckung durchs Außenministerium verweigerte der Botschafter jegliche Mitwirkung.
    Der damalige SIS-Chef nutzte sein Vorrecht, um ein privates Gespräch mit der Premierministerin zu bitten, und bekam einen Termin. Er erläuterte ihr das Problem.
    Seltsamerweise konnte Mrs. Thatcher sich an Gordiewski erinnern. Im Vorjahr hatte Michail Gorbatschow noch vor seiner Ernennung zum Präsidenten London besucht und sie sehr beeindruckt. Als Dolmetscher saß ein Diplomat aus der sowjetischen Botschaft neben ihm. Mr. Gordiewski. Sie ahnte nicht, daß er für sie arbeitete, aber sie war beeindruckt, wie erstaunlich zutreffend die ihr vorgelegten Analysen über Gorbatschows private Gedankengänge waren. Gordiewski hatte sie über Nacht geliefert.
    Ihre knallblauen Augen blitzten, als sie jetzt aus ihrem Sessel aufsprang. »Natürlich müssen wir ihn dort rausholen!« entschied sie. »Er ist ein tapferer Mann und einer von uns.«
    Binnen einer Stunde waren Außenministerium und Botschafter überstimmt worden. Am Morgen des neunzehnten Juli öffneten sich die Tore der britischen Botschaft, und ein Auto nach dem anderen rollte auf die Straße hinaus. Die KGB-Beobachter waren überfordert. Eines ihrer Überwachungsfahrzeuge nach dem anderen folgte den Briten, die alle in verschiedene Richtungen unterwegs waren. Zuletzt standen keine russischen Wagen mehr da. Dann kamen zwei identische Lieferwagen Ford Transit heraus. Sie wurden nicht mehr beschattet. Einer fuhr neben Gordiewski her, der seinen morgendlichen Dauerlauf machte, und eine Stimme rief: »Oleg, rein mit dir!« Der Oberst hechtete durch die offene Schiebetür.
    Hinter ihm forderten die beiden Beschatter von der Ersten Hauptverwaltung hastig ihr eigenes bereitstehendes Fahrzeug

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