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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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inneren Truppen des Innenministeriums MWD abkommandiert. Sie hatten Gefängnisse, Arbeitslager und Strafkolonien zu bewachen und wurden zur Niederschlagung von Unruhen eingesetzt. Der junge Soldat übernahm alle Dienstpflichten mit der größten Selbstverständlichkeit.
    Die MWD-Sondereinheiten waren auf das Prinzip von Unterdrückung und Kontrolle der Volksmassen ausgerichtet. Auf beiden Gebieten bewährte der Junge sich so gut, daß er eine seltene Belohnung erhielt: die Versetzung ans Leningrader Militärinstitut für Fremdsprachen. Das Institut war eine getarnte KGB-Ausbildungsstätte, die innerhalb des Dienstes als
Kormuschka –
Wiege – bekannt war, weil sie ständig Nachwuchs für die unteren KGB-Dienstgrade produzierte. Absolventen der
Kormuschka
waren für Skrupellosigkeit, Diensteifer und Loyalität berühmt. Der junge Mann glänzte erneut und wurde wieder belohnt.
    Diesmal wurde er zur Belohnung in die Abteilung Moskauer Oblast (Stadt und Region Moskau) der Zweiten Hauptverwaltung versetzt, wo er sich in vierjähriger Tätigkeit einen ausgezeichneten Ruf als cleverer Verwaltungsmann, gründlicher Ermittler und unerbittlicher Vernehmungsoffizier erwarb. Tatsächlich spezialisierte er sich so auf Verhöre, daß er eine vielbeachtete Arbeit darüber schrieb, die ihm die Versetzung in die Zentrale der Zweiten Hauptverwaltung einbrachte.
    Seit damals hatte er Moskau nicht mehr verlassen, arbeitete von der Zentrale aus vor allem gegen die verhaßten Amerikaner, überwachte ihre Botschaft und beschattete ihr Personal. Zwischendurch verbrachte er ein Jahr im Ermittlungsdienst, bevor er in die Zweite Hauptverwaltung zurückkehrte. Seine Ausbilder und Vorgesetzten hatten sich immer wieder die Zeit genommen, in seiner Personalakte seinen leidenschaftlichen Haß auf Angloamerikaner, Juden, Spione und Verräter sowie einen nicht ganz erklärlichen, aber annehmbaren sadistischen Zug in seinen Verhörmethoden zu vermerken.
    General Bojarow klappte das Dossier lächelnd zu. Er hatte seinen Mann gefunden. Wollte er ohne viel Firlefanz rasch Ergebnisse sehen, war Oberst Anatoli Grischin der richtige Mann für ihn.
    Ungefähr in der Mitte der St. James's Street befindet sich ein anonymes graues Gebäude mit einer blauen Eingangstür, vor der einige Grünpflanzen in Kübeln stehen. Es trägt keinen Namen. Wer weiß, wo und was es ist, hat keine Mühe, es zu entdecken; wer es nicht weiß, gehört zu denen, die dort nicht eingelassen würden, und geht achtlos daran vorbei. Der Brooks's Club macht keine Werbung.
    Er ist jedoch das Stammlokal vieler leitender Beamter des ganz in der Nähe liegenden Außenministeriums. Dort traf Jeffrey sich am zweiundzwanzigsten Juli mit dem Chefredakteur der Zeitung
Daily Telegraph
zum Mittagessen.
    Brian Worthing war achtundvierzig und hatte auf über zwanzig Jahre Berufserfahrung als Journalist zurückblicken können, als Conrad Black, der kanadische Zeitungsbesitzer, ihn vor zwei Jahren von der
Times
abgeworben hatte, um den freigewordenen Chefredakteursposten neu zu besetzen. Worthing hatte sich einen Namen als Auslandskorrespondent und Kriegsberichterstatter gemacht. Als junger Mann hatte er über den Falklandkrieg, seinen ersten richtigen Krieg, und 1990/91 aus dem Golfkrieg berichtet.
    Der Tisch, den Marchbanks sich hatte reservieren lassen, war ein kleiner Ecktisch, an dem man ungestört reden konnte, ohne fürchten zu müssen, jemand könnte mithören. Natürlich hätte niemand im Traum daran gedacht, das zu versuchen. Kein Mitglied des Brooks's wäre auf die Idee gekommen, andere Mitglieder zu belauschen, aber alte Gewohnheiten halten sich eben hartnäckig.
    »Ich glaube, ich habe schon erwähnt, daß ich im Außenministerium bin«, sagte Marchbanks, als sie bei den eingelegten Shrimps waren.
    »Ja, das haben Sie«, bestätigte Worthing. Er war sehr im Zweifel gewesen, ob er diese Einladung zum Mittagessen überhaupt annehmen sollte. Für ihn dauerte jeder Arbeitstag von zehn Uhr bis nach Sonnenuntergang, und zwei Stunden fürs Mittagessen – drei, wenn man die Hin- und Rückfahrt zwischen Canary Wharf und West End rechnete – konnte er an sich nur erübrigen, wenn sie sich lohnten.
    »Nun, in Wirklichkeit arbeite ich in einem anderen Gebäude, das von der King Charles Street aus gesehen flußabwärts und auf dem anderen Ufer liegt«, fuhr Marchbanks fort.
    »Ah«, sagte der Chefredakteur. Er kannte den Bau in Vauxhall Cross, obwohl er noch nie darin gewesen war. Vielleicht

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