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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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nach Rom geführt hatte.
    »Wir haben ein Problem, mein lieber Rick«, sagte er. »Der Umfang des von Ihnen gelieferten Materials ist wirklich riesig, und sein Wert ist unschätzbar. Mit an der Spitze dieser Dokumente stehen die uns gelieferten Fotos und Lebensläufe aller wichtigen CIA-Führungsoffiziere, die für Spione in der Sowjetunion zuständig sind.«
    Ames war verwirrt und begriff in seinem alkoholumnebelten Zustand nicht, worauf der andere hinauswollte. »Ja, irgendwas nicht in Ordnung?« fragte er.
    »Nein, nur ein Mann, der uns Rätsel aufgibt«, antwortete Metschulajew und legte ein Foto auf den Couchtisch.
    »Der hier. Ein gewisser Jason Monk. Richtig?«
    »Yeah, das ist er.«
    »Ihren Berichten nach steht er in der Abteilung SO im Ruf eines ›kommenden Mannesc. Das bedeutet unserer Ansicht nach, daß er in der Sowjetunion einen, vielleicht sogar zwei Agenten führt.«
    »Das ist die allgemeine Auffassung in der Dienststelle – oder sie ist's gewesen, als ich zuletzt dort reingeschaut habe. Aber Sie müssen sie geschnappt haben.«
    »Ah, mein lieber Rick,
das
ist das Problem. Alle Verräter, deren Namen Sie uns freundlicherweise mitgeteilt haben, sind inzwischen identifiziert, verhaftet und. befragt worden. Und jeder einzelne ist, wie soll ich sagen…« Der Russe erinnerte sich an die zitternden Männer, vor denen er im Vernehmungsraum gesessen hatte, nachdem Grischin den Häftlingen auf seine spezielle Weise geraten hatte, sich rückhaltlos zu offenbaren.
    »Sie sind alle sehr offen, sehr freimütig, höchst kooperativ gewesen. Jeder hat uns erzählt, wer sein Führungsoffizier gewesen ist – in einigen Fällen sogar mehrere. Aber Jason Monk ist nie dabeigewesen. Kein einziges Mal. Natürlich können Decknamen verwendet werden, sind sogar allgemein üblich. Aber das Foto, Rick. Niemand hat diesen gutaussehenden jungen Mann auf dem Foto erkannt. Sehen Sie jetzt mein Problem? Wen führt Monk – und wo stecken diese Leute?«
    »Das weiß ich nicht. Das verstehe ich nicht. Alle müssen in der Akte 301 gestanden haben.«
    »Mein lieber Rick, auch wir verstehen das nicht, denn sie haben nicht darin gestanden.«
    Bevor dieser Treff beendet wurde, erhielt Ames einen sehr hohen Geldbetrag und eine Liste mit Aufträgen. Er blieb drei Jahre in Rom und übergab den Russen alles, was er beiseite schaffen konnte: Unmengen geheimer und streng geheimer Dokumente. Und er verriet weitere vier Agenten – allerdings keine Russen, sondern Bürger anderer Ostblockstaaten. Aber sein wichtigster Auftrag war klar und einfach: Spätestens nach Ihrer Rückkehr nach Washington oder hoffentlich schon vorher – stellen Sie fest, wen Monk in der UdSSR führt.
    Während die beiden Kriminalinspektoren Nowikow und Wolski in der Kantine der Milizzentrale ihr informatives Mittagessen genossen, war die Duma zu einer Plenarsitzung zusammengetreten.
    Es hatte einige Zeit gedauert, das russische Parlament in der sommerlichen Sitzungspause einzuberufen, denn das Staatsgebiet ist so riesig, daß viele der Abgeordneten Tausende von Kilometern weit anreisen mußten, um an der Verfassungsdebatte teilnehmen zu können. Trotzdem galt die Debatte als außerordentlich wichtig, weil es diesmal um eine Verfassungsänderung ging.
    Nach Präsident Tscherkassows überraschendem Tod hatte gemäß Artikel 59 der russischen Verfassung der Ministerpräsident das Amt des Staatspräsidenten kommissarisch zu verwalten. Zeitlich war dieses Interregnum auf maximal drei Monate begrenzt.
    Ministerpräsident Iwan Markow, der tatsächlich als Präsident amtierte, hatte sich in Beratungen mit Sachverständigen davon überzeugen lassen, da die nächste Präsidentenwahl bereits für Juni 2000 vorgesehen war, könne ein früherer Wahltermin im Oktober 1999 ernstliche Erschütterungen, sogar ein Chaos auslösen.
    Deshalb lag der Duma ein Antrag vor, sie möge durch einen Verfassungszusatz die Amtsperiode des amtierenden Präsidenten einmalig um weitere drei Monate verlängern und den Wahltermin im Jahr 2000 von Juni auf Januar vorverlegen.
    Das Wort Duma kommt von dem Verb
dumat,
das nachdenken oder beratschlagen heißt – also ein »Ort des Denkens«. Nach Ansicht vieler Beobachter war die Duma mehr eine Stätte, an der geschrien und gebrüllt wurde, als ein Ort ernsthafter Nachdenklichkeit. An diesem heißen Sommertag machte sie ihrem schlechten Ruf jedenfalls alle Ehre.
    Die ganztägige Debatte wurde so leidenschaftlich geführt, daß der

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