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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Parlamentspräsident einen großen Teil seiner Zeit damit verbringen mußte, die Abgeordneten zur Ordnung zu rufen, und einmal sogar damit drohte, die Sitzung zu schließen und auf unbestimmte Zeit zu vertagen.
    Zwei Abgeordnete wurden so ausfallend, daß der Parlamentspräsident sie aus dem Saal wies, was vor laufenden Fernsehkameras zu Handgreiflichkeiten mit den Saalordnern führte, bis das hinausgeworfene Paar sich draußen auf dem Gehsteig wiederfand.
    Dort hielten die beiden, die völlig gegensätzliche Auffassungen vertraten, sofort improvisierte Pressekonferenzen ab, die in eine Schlägerei auf offener Straße ausarteten, bis dann die Miliz einschritt.
    Während im Saal die Klimaanlage wegen Überlastung versagte und die schwitzenden Abgeordneten der angeblich drittgrößten Demokratie der Welt sich gegenseitig anbrüllten und beschimpften klärten sich die Fronten.
    Die rechtsradikale Union Patriotischer Kräfte bestand auf Anweisung Igor Komarows darauf, die Präsidentenwahl solle im Oktober stattfinden – drei Monate nach dem Tod Tscherkassows und in Übereinstimmung mit Artikel 59. Ihre Taktik war verständlich. Die UPK lag nach allen Umfragen so uneinholbar in Führung, daß ein vorverlegter Wahltermin sie neun Monate früher an die Macht bringen mußte.
    Die Neokommunisten der Sozialistischen Union und die Reformpolitiker der Demokratischen Allianz waren sich ausnahmsweise einmal einig. Beide lagen in den Umfragen weit zurück und brauchten möglichst viel Zeit, um ihre Position noch zu verbessern. Oder anders ausgedrückt: Keine der beiden Gruppierungen war auf einen früheren Wahltermin vorbereitet.
    Die Debatte – oder der Schreiwettbewerb – wütete bis Sonnenuntergang, als der erschöpfte und heisere Parlamentspräsident schließlich entschied, die Zahl der zu Wort gekommenen Debattenredner reiche aus, um eine Abstimmung anzusetzen. Die Linke und das Zentrum stimmten gemeinsam gegen die Ultrarechte, und der Antrag wurde angenommen. Die Präsidentenwahl wurde von Juni auf den fünfzehnten Januar 2000 vorverlegt.
    Innerhalb einer Stunde verbreitete das nationale Fernsehen das Abstimmungsergebnis als Aufmacher in
Wremja,
der Abendnachrichtensendung für ganz Rußland. Die ausländischen Botschaften in der Hauptstadt legten Nachtschichten ein, und überall brannte Licht, während verschlüsselte Berichte von Botschaftern an ihre Regierungen hinausgingen.
    Weil in der britischen Botschaft noch voller Betrieb herrschte, war auch »Gracie« Fields an seinem Schreibtisch, als Inspektor Nowikows Anruf kam.
Jalta, September 1986
    Der Tag war heiß, und das auf der Küstenstraße nach Nordosten ratternde Taxi aus Jalta hatte keine Klimaanlage. Der Amerikaner kurbelte sein Fenster herunter, um sich von der kühleren Schwarzmeerluft erfrischen zu lassen. Dabei konnte er unauffällig einen Blick in den Rückspiegel über dem Kopf des Fahrers werfen. Soviel er sah, schien ihnen kein Fahrzeug der hiesigen »Tschekisten« zu folgen.
    Die lange Seereise von Marseille über Neapel, Malta und Istanbul war langweilig, aber erträglich gewesen. Monk hatte seine Rolle so gut gespielt, daß er nirgends Verdacht erregt hatte. Mit ergrautem Haar, getönter Brille und ausgesuchter Höflichkeit war er nur irgendein emeritierter Professor, der eine Sommerkreuzfahrt genoß.
    Seine amerikanischen Landsleute an Bord nahmen ihm ab, er teile ihre aufrichtige Überzeugung, der Weltfrieden könne nur gesichert werden, wenn die Völker der Vereinigten Staaten und der Union Sozialistischer Sowjetrepubliken sich besser kennenlernten. Eine amerikanische Mitreisende, eine unverheiratete Lehrerin aus Connecticut, war sehr von dem Texaner mit den ausgezeichneten Manieren angetan, der ihr immer den Stuhl zurechtrückte und seinen breitkrempigen Stetson vor ihr zog, wenn sie sich an Deck begegneten.
    Im bulgarischen Schwarzmeerhafen Warna war er nicht an Land gegangen, sondern hatte sich mit einem leichten Sonnenstich entschuldigt. Aber in allen übrigen Zielhäfen hatte er die Touristen aus fünf westlichen Staaten zu Ruinen, Ruinen und noch mehr Ruinen begleitet.
    In Jalta betrat Monk erstmals in seinem Leben russischen Boden. Auch wenn er gründlich informiert und gut vorbereitet kam, war das einfacher als erwartet. Obwohl die
Armenia
das einzige Kreuzfahrtschiff im Hafen war, lagen dort mindestens ein Dutzend ausländische Frachter, deren Besatzungen problemlos an Land gehen durften.
    Die seit Warna an Bord zusammengepferchten

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