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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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mir leid, ich bin hier neu.«
    »Und ich bin hier hungrig«, sagte der Professor. »Ich habe jetzt Mittag. Mahlzeit, Inspektor.«
    Wolski überflog den Bericht nochmals. Der alte Knabe war also mißhandelt worden. Die äußeren Umstände deuteten auf eine Unterweltfehde hin. Aber Gangster waren im allgemeinen erheblich jünger. Er mußte wirklich einen Mafiaboß gegen sich aufgebracht haben. Wäre er nicht erstickt, wäre er an den zahlreichen inneren Verletzungen gestorben.
    Was hatten sie also gewollt, seine Mörder? Hatten sie Informationen aus ihm herausprügeln wollen? Aber die hätte er ihnen doch schon lange vorher gegeben! Welches Motiv konnten sie sonst gehabt haben? Bestrafung? Abschreckendes Beispiel? Sadismus? Vielleicht eine Mischung aus diesen drei Motiven. Aber was um Himmels willen konnte ein alter Mann, der wie ein Obdachloser aussah, besitzen, das ein Gangsterboß unbedingt haben wollte? Oder was konnte er einem Mafiaboß angetan haben, das diese Strafe verdient hatte?
    Wolski las die Eintragung unter »besondere Kennzeichen«. Der Professor hatte festgestellt: »Keine am Körper, aber im Mund zwei Vorderzähne und ein Eckzahn aus Edelstahl – vermutlich von einem Militärzahnarzt eingesetzt.« Das bedeutete, daß der Tote drei Stahlzähne im Mund gehabt hatte.
    Die abschließende Bemerkung des Pathologen erinnerte Wolski an etwas. Jetzt
war
Mittagszeit, und er hatte vor, sich mit einem Kollegen aus dem Morddezernat zum Essen zu treffen. Er stand auf, schloß sein schäbiges Büro hinter sich ab und ging den Korridor entlang davon.
Langley, Juli 1986
    Oberst Solomins Brief stellte die CIA vor ziemliche Probleme. Er hatte bisher dreimal Material in einem toten Briefkasten in Moskau deponiert, aber nun wollte er sich erneut mit seinem Führungsoffizier Jason Monk treffen. Da Solomin die UdSSR nicht verlassen konnte, würde der Treff auf sowjetischem Boden stattfinden müssen.
    Jeder Dienst, bei dem ein solcher Vorschlag eingeht, würde als erstes vermuten, sein Agent sei geschnappt worden und schreibe unter Zwang.
    Nach Monks Überzeugung war Solomin jedoch weder dumm noch feige. Es gab ein bestimmtes Wort, das er unbedingt vermeiden sollte, falls er unter Zwang schrieb, und ein weiteres, das er in diesem Fall in den Text einzufügen versuchen sollte. Selbst unter Zwang wäre es ihm vermutlich gelungen, eine dieser beiden Bedingungen zu erfüllen. Sein Brief aus Moskau enthielt das Wort, das er verwenden sollte, während das nicht zu verwendende fehlte. Mit anderen Worten: Der Brief schien echt zu sein.
    Mit Harry Gaunt war Monk sich seit langem darüber einig, daß Moskau, wo es von KGB-Agenten und Spitzeln wimmelte, zu gefährlich war. Hätte Monk sich als Diplomat ausgegeben, der nur für kurze Zeit in Moskau zu tun hatte, hätte das sowjetische Außenministerium trotzdem detaillierte Informationen über ihn angefordert – und sie prompt an die Zweite Hauptverwaltung weitergegeben. Auch so getarnt wäre Monk während seines ganzen Aufenthalts überwacht worden, und ein gefahrloses Treffen mit dem Adjutanten des Ersten stellvertretenden Verteidigungsministers wäre praktisch unmöglich gewesen. Außerdem schlug Solomin für ihr Treffen einen anderen Ort vor.
    Der Oberst schrieb, er bekomme Ende September Urlaub und habe sich durch Beziehungen eine Ferienwohnung in dem Badeort Gursuf am Schwarzen Meer sichern können.
    Monk informierte sich über Gursuf: ein Dorf an der Küste der Halbinsel Krim, ein vom sowjetischen Militär frequentierter bekannter Badeort mit einer großen Rehabilitationsklinik des Verteidigungsministeriums, in der kranke und verwundete Offiziere sich in der Sonne erholen konnten.
    Zwei jetzt in den USA lebende ehemalige sowjetische Offiziere wurden konsultiert. Beide waren nie dort gewesen, kannten Gursuf aber dem Namen nach als malerisches ehemaliges Fischerdorf, in dem Tschechow bis zu seinem Tod in seiner Villa am Strand gelebt hatte – von Jalta aus in fünfzig Minuten mit dem Bus oder in zwanzig Minuten per Taxi zu erreichen.
    Nun befaßte Monk sich mit Jalta. Die UdSSR war in vieler Beziehung noch immer ein unzugängliches Land, und es war unmöglich, einfach einen Linienflug auf die Krim zu buchen. Er hätte über Moskau nach Kiew, von dort aus nach Odessa und zuletzt nach Jalta fliegen müssen. Kein ausländischer Tourist hätte diese Strecke bewältigt, und es gab keinen plausiblen Grund, warum ein Ausländer nach Gursuf reisen sollte. Selbst in einem sowjetischen

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