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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Touristen des Kreuzfahrtschiffs stoben wie ein Vogelschwarm den Landgangsteg hinunter, und die beiden unten postierten sowjetischen Paßkontrolleure warfen einen flüchtigen Blick in ihre Reisepässe und winkten sie mit lässigen Handbewegungen durch. Professor Kelson erntete wegen seiner Aufmachung mehrfach Blicke, aber es waren anerkennende, freundliche Blicke.
    Anstatt zu versuchen, unauffällig aufzutreten, hatte Monk sich fürs Gegenteil entschieden: für die Masche, sich durch Auffälligkeit zu tarnen. Zu einem beigen Sommeranzug trug er ein cremeweißes Seidenhemd mit einer String-Krawatte mit Silberverschluß, seinen Stetson und seine Cowboystiefel.
    »Meine Güte, Professor, heute sind Sie aber elegant!« beteuerte die Lehrerin überschwenglich. »Fahren Sie mit uns im Sessellift auf den Aussichtsberg?«
    »Nein, Ma'am«, antwortete Monk. »Ich mache einen kleinen Rundgang über die Kais, denke ich, und trinke vielleicht einen Kaffee.«
    Die Intouristführer zogen mit ihren Gruppen in verschiedene Richtungen los und ließen ihn allein zurück. Er schlenderte den Kai entlang, kam am Hafenbahnhof vorbei und ging in die Stadt weiter. Einige Leute starrten ihn an, aber die meisten grinsten nur. Ein kleiner Junge blieb stehen, griff mit beiden Händen an seine Oberschenkel, kniff die Augen zusammen und zog blitzschnell zwei imaginäre 45er Colts. Der Amerikaner zerzauste ihm seine schwarzen Locken.
    Wie er wußte, gab es auf der Krim nicht allzuviel Unterhaltung. Das staatliche Fernsehen war zum Gähnen langweilig, und wer sich amüsieren wollte, ging ins Kino. Haushohe Favoriten waren die vom Staat geduldeten Westernfilme – und hier lief ein leibhaftiger Cowboy herum. Selbst ein von der Hitze schläfriger Milizionär starrte ihn an, aber als Monk sich an die Hutkrempe tippte, grinste er und salutierte zackig. Eine Stunde später, nach einem kurzen Abstecher in ein Cafe mit offener Vorderfront, war er der Überzeugung, nicht beschattet zu werden, nahm eines von mehreren wartenden Taxis und gab als Fahrtziel den botanischen Garten an. Mit seinem Reiseführer und nur wenigen Brocken Russisch war er so offensichtlich ein Tourist von einem der Schiffe, daß der Fahrer nickte und losfuhr. Außerdem besuchten jährlich Hunderttausende den botanischen Garten, für den Jalta berühmt war.
    Monk stieg vor dem Haupteingang aus und bezahlte sein Taxi. Er zahlte mit Rubeln, gab aber fünf Dollar Trinkgeld und blinzelte dem Fahrer zu. Der Mann nickte zufrieden grinsend und fuhr davon.
    Vor den Drehkreuzen am Eingang standen Besucherschlangen – vor allem russische Schulklassen, die mit ihren Lehrerinnen eine Exkursion machten. Monk stellte sich an und achtete unauffällig auf Männer in glänzenden Anzügen, ohne welche zu sehen. Er zahlte seinen Eintritt, ging durchs Drehkreuz und sah ganz in der Nähe einen Eiskiosk. Nachdem er sich ein großes Vanilleeis gekauft hatte, setzte er sich auf eine ruhige Parkbank und fing an, sein Eis zu schlecken.
    Wenige Minuten später setzte sich ein Mann ans andere Ende der Bank, um einen Übersichtsplan der weitläufigen Gartenanlage zu studieren. Niemand konnte sehen, wie seine Lippen sich hinter dem Plan bewegten. Monks Lippen bewegten sich ohnehin, weil sie mit dem Eis beschäftigt waren.
    »Na, mein Freund, wie geht's?« fragte Pjotr Solomin.
    »Besser, seit ich Sie sehe, alter Kumpel«, murmelte Monk. »Hören Sie, werden wir überwacht?«
    »Nein. Ich bin seit einer Stunde hier. Sie sind nicht beschattet worden. Ich auch nicht.«
    »Meine Leute sind sehr zufrieden mit Ihnen, Peter. Ihr Material wird den kalten Krieg verkürzen.«
    »Ich will nur mithelfen, diese Schweinehunde aus dem Amt zu jagen«, sagte der Sibirer. »Ihr Eis schmilzt. Werfen Sie's weg, ich hole uns zwei neue.«
    Monk warf die tropfende Waffel in den nächsten Abfallkorb. Solomin schlenderte zum Kiosk hinüber und kaufte zwei Eiswaffeln. Als er damit zurückkam, konnte er sich wegen dieser Geste etwas dichter neben Monk setzen.
    »Ich habe etwas für Sie. Film. Auf der Innenseite meines Gartenplans. Ich lasse ihn auf der Bank liegen.«
    »Danke. Warum haben Sie ihn nicht ebenfalls in Moskau hinterlegt wie bisher? Das hat meine Leute etwas mißtrauisch gemacht«, sagte Monk.
    »Weil's noch mehr gibt, das aber nur mündlich weitergegeben werden kann.«
    Er begann zu schildern, was sich in diesem Sommer 1986 in Moskau in Politbüro und Verteidigungsministerium abspielte. Monk verzog keine Miene, obwohl er am

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