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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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nach Moskauer Maßstäben modernen Kosmos steht gleich neben der Eingangshalle eine Reihe öffentlicher Münztelefone.
    Eine Stunde nach dem Anruf in der Botschaft zog er seinen Notizblock aus der Jacke, schlug eine Nummer nach und wählte sie. Öffentliche Münztelefone sind ein Alptraum für jeden Abhördienst und allein wegen ihrer großen Zahl praktisch unkontrollierbar.
    »Boris?« Nowikow hieß natürlich nicht Boris. Sein Vorname war Jewgeni, aber wenn er Boris hörte, wußte er, daß Fields am Apparat war.
    »Ja. Diese Zeichnung, die Sie mir gegeben haben. Ich hab' was darüber erfahren. Wir sollten uns treffen, glaub' ich.«
    »Also gut. Ich lade Sie zum Abendessen ins Rossija ein.«
    Keiner der beiden hatte vor, in das riesige Hotel Rossija zu gehen. Ihr wirklicher Treffpunkt war die Karussellbar etwa in der Mitte der Twerskajastraße. Sie war kühl und dunkel genug, um einen diskreten Treff zu ermöglichen. Auch bis dahin würde eine Stunde vergehen.
    Wie in vielen größeren britischen Botschaften gehört zum Stab der Vertretung in Moskau auch ein Mitarbeiter des als MI5 bekannten Internal Security Service. Dies ist die Schwesterorganisation des Auslandsnachrichtendienstes Secret Intelligence Service, der weithin unter der falschen Bezeichnung MI6 bekannt ist.
    Der MI5-Offizier hat nicht den Auftrag, Erkenntnisse über das Gastland zu beschaffen, sondern für die Sicherheit der Botschaft, ihrer verschiedenen Außenstellen und ihres Personals zu garantieren.
    Auch in Moskau fühlen die Angehörigen der Botschaft sich nicht als Gefangene und besuchen im Sommer häufig einen hübschen Badeplatz außerhalb der Stadt, wo in einer Biegung der Moskwa ein kleiner Sandstrand liegt. Für das Personal der diplomatischen Vertretungen ist das ein beliebter Picknick- und Badeplatz.
    Vor seiner Beförderung zum Inspektor und seiner Versetzung zum Morddezernat war Jewgeni Nowikow als Milizionär für diesen Landbezirk mit dem Erholungsgebiet Serebrjani Bor – Silberwald – zuständig gewesen.
    Dort hatte er den damaligen britischen MI5-Offizier kennengelernt, der ihn mit dem neu angekommenen »Gracie« Fields zusammengebracht hatte.
    Fields hatte diese Beziehung zu dem jungen Milizionär gepflegt und ihm irgendwann suggeriert, ein kleines Monatssalär in harter Währung könne einem Mann, der in Inflationszeiten von seinem festen Gehalt leben müsse, das Leben erleichtern. So wurde Inspektor Nowikow ein Informant – nicht sehr bedeutend, das stimmte, aber gelegentlich nützlich. In dieser Woche sollte der Kriminalbeamte beim Moskauer Morddezernat sich als lohnende Investition erweisen.
    »Wir haben eine Leiche«, berichtete er Fields, als sie in der düsteren Karussellbar saßen und eisgekühltes Bier tranken. »Ich bin mir ziemlich sicher, daß es sich um den Mann handelt, dessen Bild Sie mir gegeben haben. Sie wissen schon: Mitte Sechzig, Stahlzähne…«
    Er schilderte die Ereignisse, wie er sie von seinem Kollegen Wolski von der Identifizierungsstelle gehört hatte.
    »Fast drei Wochen tot – das ist bei diesem Wetter verdammt lange. Das Gesicht muß gräßlich aussehen«, sagte Fields. »Unter Umständen ist er nicht der richtige Mann.«
    »Er hat nur eine Woche lang im Wald gelegen. Dann neun Tage auf Eis. Er müßte zu erkennen sein.«
    »Ich brauche ein Foto von ihm, Boris. Können Sie mir eines besorgen?«
    »Nicht ohne weiteres. Sie liegen alle bei Wolski. Kennen Sie einen Chefinspektor Tschernow?«
    »Ja, er ist schon in der Botschaft gewesen. Ich habe ihm auch eines der Bilder gegeben.«
    »Ja, ich weiß«, sagte Nowikow. »Jetzt hängen sie überall. Tschernow wird jedenfalls wieder aufkreuzen. Wolski muß ihn inzwischen informiert haben. Er hat dann ein richtiges Foto vom Gesicht der Leiche.«
    »Für sich, nicht für uns.«
    »Das wird bestimmt schwierig.«
    »Versuchen Sie's, Boris, versuchen Sie's wenigstens. Sie sind doch beim Morddezernat, stimmt's? Sie können behaupten, Sie wollten das Foto einigen Informanten in Gangsterkreisen zeigen. Hier geht's jetzt um einen Mord. Das ist schließlich Ihr Beruf, nicht wahr? Morde aufklären?«
    »An sich schon«, gab Nowikow bedrückt zu. Er fragte sich, ob der Engländer wußte, daß die Aufklärungsquote bei Morden im Unterweltmilieu bei drei Prozent lag.
    »Dafür gibt's einen Bonus für Sie«, versprach Fields ihm. »Wenn unsere Leute angegriffen werden, sind wir nicht kleinlich.«
    »Also gut«, sagte Nowikow. »Ich werd' versuchen, eines

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