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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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abzustauben.«
    Wie sich dann zeigte, brauchte er sich nicht viel Mühe zu geben. Die Akte des Unbekannten landete von selbst im Morddezernat, und zwei Tage später konnte Nowikow eines von mehreren draußen im Wald an der Fernstraße nach Minsk gemachten Fotos des Gesichts der Leiche an sich nehmen.
Langley, November 1986
    Carey Jordan war außergewöhnlich guter Laune. Diese Gemütsverfassung hielt Ende 1986 selten lange an, denn in Washington wütete gerade der Iran-Contra-Skandal, und Jordan wußte besser als die meisten anderen, wie tief die CIA darin verstrickt war.
    Aber vorhin war er zu Direktor William Casey zitiert worden, um dort wärmstes Lob einzuheimsen. Ursache dieser ungewohnten Freundlichkeit des alten Direktors war die Reaktion höchster Regierungskreise auf die Nachrichten, die Jason Monk aus Jalta mitgebracht hatte.
    Anfang der achtziger Jahre, als Juri Andropow Generalsekretär der KPdSU gewesen war, hatte der ehemalige KGB-Vorsitzende persönlich eine Serie höchst aggressiver politischer Maßnahmen gegen den Westen eingeleitet. Sie verkörperten den letzten verzweifelten Versuch eines Todkranken, den Verteidigungswillen der NATO durch Einschüchterung zu brechen.
    Herzstück von Andropows Politik war die Stationierung von dreihundertfünfzig neuen Mittelstreckenraketen in den Staaten des Warschauer Pakts. Mit drei für Einzelziele bestimmten Atomsprengkörpern in jeder Rakete bedrohten die SS-20 alle größeren Städte und Großstädte Europas zwischen Norwegen und Sizilien.
    Ronald Reagan war damals Amtsinhaber im Weißen Haus, und Margaret Thatcher regierte in der Downing Street. Die beiden westlichen Führer waren entschlossen, sich nicht durch Drohungen einschüchtern zu lassen, und beschlossen, für jede auf den Westen gerichtete Rakete ihrerseits eine nach Osten gerichtete aufzustellen.
    Obwohl die europäische Linke ständig lautstark dagegen demonstrierte, wurden Pershing II und Cruise Missiles in Großbritannien und ganz Westeuropa stationiert. Reagan und Thatcher weigerten sich, diesem Druck nachzugeben.
    Das US-Rüstungsprogramm »Krieg der Sterne« zwang die Sowjetunion dazu, ihrerseits zu versuchen, ein System zur Raketenabwehr im Weltraum zu entwickeln. Andropow starb, Tschernenko kam und ging, Gorbatschow kam an die Macht – aber dieser Kampf, in dem Willensstärke und Industriemacht entscheiden würden, ging weiter.
    Auch Michail Gorbatschow, seit März 1985 neuer Generalsekretär der KPdSU, war ein in der Wolle gefärbter überzeugter Kommunist. Der Unterschied lag darin, daß er im Gegensatz zu seinen Vorgängern pragmatisch dachte und sich weigerte, die Lügen zu schlucken, die man ihnen aufgetischt hatte. Gorbatschow bestand darauf, die wahren Fakten und Zahlen der sowjetischen Industrie und Wirtschaft vorgelegt zu bekommen. Als er sie dann sah, war er schockiert.
    Trotzdem glaubte er noch, der asthmatische Karrengaul der kommunistischen Staatswirtschaft lasse sich durch etwas bessere Abstimmung in ein Vollblutrennpferd verwandeln. Daher das Schlagwort
perestroika,
das Umbau oder Neugestaltung bedeutet.
    Im Sommer 1986 wurde der Kremlführung und den Spitzen des Verteidigungsministeriums langsam klar, daß das nicht funktionieren würde. Der militärischindustrielle Komplex und Rüstungsausgaben verschlangen sechzig Prozent des sowjetischen Bruttosozialprodukts – einen Prozentsatz, der nicht durchzuhalten war. Außerdem begehrte die Bevölkerung allmählich gegen die ihr zugemuteten Entbehrungen auf.
    Im Sommer dieses Jahres wurden umfangreiche Untersuchungen darüber angestellt, wie lange die Sowjetunion das Tempo noch durchstehen könne. Das in dem Untersuchungsbericht gezeichnete Bild hätte kaum schwärzer sein können. Industriell war der kapitalistische Westen in seiner Leistungsfähigkeit dem russischen Dinosaurier auf allen Ebenen weit überlegen. Diesen Bericht hatte Solomin als Mikrofilm auf der Parkbank in Jalta zurückgelassen.
    Seine von Solomin verbal bestätigte Hauptaussage lautete: Wenn der Westen noch zwei Jahre an seiner Strategie festhalte, werde die sowjetische Volkswirtschaft zusammenbrechen und den Kreml dazu zwingen einzulenken und abzurüsten. Wie bei einer Partie Poker hatte der Sibirer damit dem Westen das ganze Blatt des Kreml gezeigt.
    Diese Informationen gingen sofort an Präsident Reagan und über den Atlantik zu Mrs. Thatcher. Die beiden, denen interne Anfeindungen und Zweifel zusetzten, faßten neuen Mut. Bill Casey wurde im Oval Office

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