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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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zu legitimer Geschäftstätigkeit überging. Die amerikanische Cosa Nostra hatte eine Generation lang gebraucht, um zu erkennen, daß mit dem Ertrag von Verbrechen gekaufte legitime Firmen nicht nur ihren Gewinn erhöhten, sondern auch zur Geldwäsche nützlich waren. Die Russen schafften diesen Übergang in fünf Jahren und besaßen oder kontrollierten im Jahr 1995 vierzig Prozent der einheimischen Volkswirtschaft. Unterdessen waren sie bereits international tätig und betrieben vor allem ihre drei Spezialitäten – Waffenhandel, Drogenschmuggel und Unterschlagung – mit hoher Gewaltbereitschaft in ganz Westeuropa und Nordamerika.
    Wie sich etwa ab 1998 zeigte, war das Problem jedoch, daß sie allzu hemmungslos Beute gemacht hatten. Durch ihre Geldgier hatten sie die Wirtschaft ruiniert, von der sie lebten. Allein im Jahr 1996 wurde russisches Volksvermögen im Wert von fünfzig Milliarden Dollar – hauptsächlich Gold, Diamanten, seltene Metalle, Erdöl, Erdgas und Holz – gestohlen und ins Ausland verschoben. Die Waren wurden mit fast wertlosen Rubeln zu Billigstpreisen von den Bürokraten gekauft, die in Staatsbehörden für sie zuständig waren, und im Ausland gegen Dollar verkauft. Ein gewisser Prozentsatz der Einnahmen wurde in Unsummen von Rubeln zurückverwandelt, mit dem sich weitere Bestechungen und weitere Verbrechen finanzieren ließen. Die restlichen Gewinne wurden im Ausland gebunkert.
    »Das Problem ist«, sagte Wyatt trübselig, während er sein Bier austrank, »daß der Aderlaß einfach zu stark ist. Korrupte Politiker, noch korruptere Bürokraten und die Gangster haben's gemeinsam geschafft, der Gans, die ihnen goldene Eier gelegt hat, den Hals umzudrehen. Haben Sie mal etwas über die Entstehung des Dritten Reichs gelesen?«
    »Ja, aber das ist schon lange her. Warum?«
    »Erinnern Sie sich an Beschreibungen der letzten Tage der Weimarer Republik? Die Schlangen von Arbeitslosen, die Zunahme der Straßenkriminalität, die durch Inflation vernichteten Ersparnisse, die Suppenküchen, die streitsüchtigen Abgeordnetenwichte, die sich gegenseitig anschreien, während draußen das Land vor die Hunde geht? Nun, genau das können Sie hier beobachten. Die Geschichte wiederholt sich anscheinend doch. Verdammt, ich muß gehen! Bin mit ein paar Leuten drunten zum Mittagessen verabredet. Hat mich gefreut, Sie kennenzulernen, Mr… äh…«
    »Jefferson.«
    Dieser Name schien dem anderen nichts zu sagen. Mr. Wyatt war offenbar kein Leser des
Daily Telegraph.
    Interessant, dachte der Londoner Journalist, als der Kanadier gegangen war. Seine Informationen aus dem Archiv wiesen alle darauf hin, daß der Mann, den er an diesem Abend interviewen sollte, imstande sein könnte, dieses Land zu retten.
    Als der lange schwarze Tschaika um halb sieben Uhr vorfuhr, wartete Mark Jefferson am Hotel eingang. Er war immer pünktlich und erwartete diese Pünktlichkeit auch von anderen. Er trug eine dunkelgraue Flanellhose, einen dunkelblauen Blazer, ein leicht gestärktes weißes Baumwollhemd und die Krawatte des Garrick Clubs. So angezogen, wirkte er elegant, adrett und affektiert – jeder Zoll ein Engländer.
    Der Tschaika kam trotz des stärkeren Abendverkehrs zügig voran, fuhr nach Norden zum Kiselnyboulevard und bog kurz vor dem Gartenring in eine Seitenstraße ab. Als der Fahrer sich dem grünen Stahltor näherte, aktivierte er den Alarmknopf eines Piepsers, den er aus seiner Jackentasche zog.
    Die Kameras auf dem Sicherheitszaun erfaßten die näher kommende Limousine, und der Wachmann am Tor sah auf einen Bildschirm, der ihm das Fahrzeug und sein Nummernschild zeigte. Da das Kennzeichen mit dem übereinstimmte, das er erwartete, drückte er auf einen Knopf, um das Tor zu öffnen.
    Sobald der Wagen aufs Grundstück gefahren war, schloß das Tor sich wieder, und der Wachmann trat ans linke Fenster. Er kontrollierte den Ausweis des Fahrers, warf einen Blick auf den Rücksitz, nickte und versenkte dann die Stahldorne.
    Boris Kusnezow, den der Posten am Tor benachrichtigt hatte, stand am Eingang der Villa, um den Gast zu begrüßen. Er führte den britischen Journalisten in einen eleganten Salon, der im ersten Stock zwischen Komarows eigenem Arbeitszimmer und dem Büro des verstorbenen N. I. Akopow lag.
    Igor W. Komarow duldete nicht, daß in seiner Gegenwart geraucht oder gegessen wurde – eine Jefferson unbekannte Tatsache, die er nie erfahren würde, weil sie nicht erwähnt wurde. In einem Land, in dem

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