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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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auf sie zuging. Einer von ihnen öffnete die hintere Tür ihres Wagens, und sie glitten aus dem Fahrzeug. Als der Engländer bis auf zehn Meter herangekommen war, zog jeder der beiden Männer eine Pistole mit Schalldämpfer aus seiner Jacke. Kein Wort wurde gesprochen, und nur zwei Schüsse fielen. Beide trafen den Journalisten in die Brust.
    Der Doppelschlag stoppte den Gehenden, der sich dann einfach hinsetzte, als seine Beine nachgaben. Der Oberkörper begann zu kippen, aber inzwischen waren die beiden Mörder herangekommen. Einer hielt ihn aufrecht, und der andere griff rasch in Jeffersons Blazer und zog das Diktiergerät aus der einen und die Brieftasche aus der anderen Innentasche.
    Ihr Wagen rollte heran, und sie sprangen hinein. Nachdem er davongeröhrt war, blickte eine Passantin auf den Liegenden hinunter, hielt ihn für einen weiteren Betrunkenen, sah dann ein dünnes Rinnsal Blut und fing zu schreien an. Niemand hatte sich das Kennzeichen gemerkt. Es war ohnehin gefälscht.
    In einem Restaurant hatte jemand die Frau kreischen hören, kurz zum Fenster hinausgesehen und vom Telefon des Geschäftsführers aus unter der Nummer 03 einen Rettungswagen angefordert.
    Beim ersten Hinsehen glaubten die Sanitäter noch an einen Herzstillstand, bis sie die Einschußlöcher im zweireihigen Sakko und das blutgetränkte Hemd darunter entdeckten. Noch während sie mit Blaulicht zum nächsten Krankenhaus rasten, alarmierten sie die Polizei.
    Eine Stunde später starrte Inspektor Wassili Lopatin vom Morddezernat verdrießlich auf die in der Notfallstation der Botkin-Klinik aufgebahrte Leiche hinunter. Neben ihm stand der in dieser Nacht diensthabende Chirurg und zog sich die Handschuhe aus.
    »Nichts mehr zu machen«, sagte der Arzt. »Eine einzige Kugel aus kürzester Distanz mitten durchs Herz. Steckt immer noch irgendwo da drin. Bei der Obduktion wird man sie für Sie rauspulen.«
    Lopatin nickte mechanisch. Als ob das etwas brächte – in Moskau waren so viele Waffen in Umlauf, daß man die ganze Armee neu ausstatten könnte. Damit waren seine Chancen, die Pistole, aus der die Kugel stammte, oder gar ihren Eigentümer zu identifizieren, mehr oder weniger gleich Null. Und das war ihm genauso klar wie die Tatsache, daß die Frau, die den Mord auf dem Kiselnyboulebard hätte bezeugen können, verschwunden war. Angeblich hatte sie zwei Männer und einen Wagen gesehen. Beschreibungen lagen aber nicht vor.
    Der rotblonde Bart des Toten blähte sich zornig über dem sommersprossigen blassen Gesicht, in dem sich nur leises Erstaunen spiegelte. Ein Helfer bedeckte die Leiche mit einem grünen Tuch, damit sich das grelle Lampenlicht nicht mehr in den ohnehin für immer erloschenen Augen spiegeln konnte.
    Der Tote war nackt. Seine Kleider lagen auf einem Seitentisch und seine wenigen persönlichen Gegenstände in einer nierenförmigen Schale aus Stahl. Der Inspektor nahm das Sakko genauer in Augenschein. Beim Studieren der in den Kragen gestickten Aufschrift drehte sich ihm das Herz im Leibe um. Auch das noch – ein Ausländer.
    »Können Sie das lesen?« fragte er den Chirurgen.
    Der Arzt begutachtete das Etikett. »L-A-N-D-A-U«, entzifferte er mühselig. »Bond Street.«
    »Und das da?« Lopatin deutete auf das Hemd.
    »Marks & Spencer«, las der Chirurg vor. »Das ist in London. Auch in der Bond Street, glaube ich.«
    In der russischen Sprache gibt es über zwanzig Ausdrücke für menschliche Exkremente und die männlichen und weiblichen Genitalien. Im Geiste ratterte Lapotin sie alle herunter. O Gott, ein britischer Tourist! Ein mißglückter Überfall, und ausgerechnet auf einen britischen Touristen!
    Er nahm sich die wenigen Habseligkeiten des Toten vor: Münzen waren natürlich nicht dabei – mit Kleingeld war in Rußland ja schon lange nichts mehr zu holen. Ein sorgfältig zusammengefaltetes weißes Taschentuch, eine kleine Tüte, ein Siegelring und eine Uhr. Lopatin ging davon aus, daß die Mörder ihrem Opfer auch noch die Uhr und den Ring abgenommen hätten, wäre nicht die kreischende Frau dazwischengekommen.
    Leider wies nichts auf den Namen des Mannes hin. Und das Schlimmste war: Die Brieftasche fehlte auch. So wandte sich der Inspektor wieder den Kleidern zu. Auf der Innenseite der schlichten schwarzen Halbschuhe stand das Wort »Church«. An den grauen Wollsocken war nichts Besonderes, und in der Unterhose fand er wieder den Schriftzug von Marks & Spencer. Die Krawatte stammte nach Auskunft des Arztes aus

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