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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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britische Premierminister besitzt. Welche Veränderungen würde ein objektiver Beobachter eintreten sehen, wenn Sie sich die ersten sechs Monate dieser Macht in Ihren Händen vorstellen? Mit anderen Worten: Wo würden Sie Prioritäten setzen?«
    Auch diesmal klang die Antwort wie aus einer Wahlkampfbroschüre vorgelesen. Die Notwendigkeit, das organisierte Verbrechen zu bekämpfen, die unbewegliche Bürokratie zu reformieren, die landwirtschaftliche Produktion wieder in Gang zu bringen und die Währung zu stabilisieren, wurde routinemäßig angesprochen. Weitere Fragen zu den Maßnahmen, mit denen das alles erreicht werden sollte, wurden mit schwammigen Gemeinplätzen beantwortet. Damit wäre kein westlicher Politiker durchgekommen, aber Kusnezow erwartete offensichtlich, Jefferson werde sich damit zufriedengeben.
    Der Journalist erinnerte sich an die Besprechung mit seinem Chefredakteur und fragte, wie Komarow sich vorstelle, Rußlands Größe wiederherzustellen. Damit löste er erstmals eine Reaktion aus.
    Irgend etwas an seiner Frage schien Komarow aufzuschrecken, als habe er einen elektrischen Schlag erhalten. Der Russe starrte ihn mit seinen hellbraunen Augen, die nie zu blinzeln schienen, so durchdringend an, bis Jefferson ihrem Blick nicht länger standhalten konnte und so tat, als müsse er das Diktiergerät kontrollieren. Weder ihm noch Kusnezow fiel auf, daß der UPK-Präsident leichenblaß geworden war und sich zwei hektische rote Flecken auf den Wangenknochen zeigten.
    Komarow stand plötzlich auf, ohne ein Wort zu sagen, verließ den Raum, verschwand in seinem eigenen Büro und schloß die Tür hinter sich. Jefferson sah mit fragend hochgezogenen Augenbrauen zu Kusnezow hinüber. Auch der junge Mann wirkte sichtlich verblüfft, aber seine natürliche Urbanität gewann rasch die Oberhand.
    »Der Präsident bleibt bestimmt nicht lange fort. Offenbar ist ihm gerade etwas eingefallen, das dringend erledigt werden muß. Er kommt bestimmt zurück, sobald er fertig ist.«
    Jefferson beugte sich nach vorn und stellte sein Diktiergerät ab. Nach drei Minuten und einem kurzen Telefongespräch kam Komarow zurück, nahm wieder Platz und beantwortete ganz ruhig die vorhin gestellte Frage. Als er weitersprach, stellte Jefferson sein Diktiergerät wieder an.
    Eine Stunde später ließ Komarow erkennen, das Interview sei beendet. Er stand auf, nickte Jefferson steif zu und zog sich in sein Büro zurück. Von der Schwelle aus winkte er Kusnezow zu sich herein.
    Sein PR-Berater tauchte nach zwei Minuten wieder auf und war sichtlich verlegen.
    »Tut mir leid, aber es gibt Probleme mit Ihrer Rückfahrt«, sagte er, während er Jefferson in die Eingangshalle hinunterbegleitete. »Der Wagen, der Sie abgeholt hat, wird dringend anderswo benötigt, und alle anderen gehören Angestellten, die noch spät arbeiten. Könnten Sie mit einem Taxi ins National zurückfahren?«
    »Nun, ja, das läßt sich machen«, antwortete Jefferson, der sich jetzt wünschte, er wäre mit einer Hotellimousine hergekommen und hätte sie draußen warten lassen. »Könnten Sie mir vielleicht eines bestellen?«
    »Sorry, um diese Zeit werden keine telefonischen Bestellungen mehr angenommen«, sagte Kusnezow, »aber ich zeige Ihnen gern, wo man eines bekommt.«
    Er führte den verblüfften Journalisten vom Eingang zu dem Stahltor hinaus, das sich vor ihnen öffnete, um sie hindurchzulassen. Auf der Seitenstraße deutete Kusnezow auf den hundert Meter entfernten Kiselnyboulevard hinaus.
    »Dort vorn auf dem Boulevard können Sie binnen einer halben Minute ein vorbeifahrendes Taxi anhalten, das Sie in einer Viertelstunde ins Hotel bringt. Ich hoffe, daß wir auf Ihr Verständnis zählen können. Es ist mir ein Vergnügen, ein wirkliches Vergnügen gewesen, Sie kennenzulernen, Sir.«
    Im nächsten Augenblick war er verschwunden. Mark Jefferson war sehr aufgebracht, als er jetzt der schmalen Straße in Richtung Hauptstraße folgte. Unterwegs spielte er an seinem Diktiergerät herum. Als er den Kiselnyboulevard erreichte, steckte er das Gerät schließlich wieder in die Innentasche seines Blazers. Er sah sich die Straße hinauf und hinunter nach einem Taxi um. Natürlich war keines zu sehen. Er wandte sich mit finster zorniger Miene nach links – in Richtung Stadtmitte –, begann loszumarschieren und sah sich zwischendurch immer wieder nach einem Taxi um.
    Die beiden Männer in den schwarzen Lederjacken beobachteten, wie er aus der Seitenstraße kam und

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