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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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einem Etablissement namens »Turnbull & Asser« in der Jermyn Street. Bestimmt ebenfalls London.
    Fast schon mit dem Mut der Verzweiflung widmete sich Lopatin noch einmal dem Sakko. Und tatsächlich war dem Sanitäter etwas entgangen. In der Brusttasche, in der manche Männer ihre Brille tragen, ertastete er einen harten Gegenstand, der sich als perforierte Plastikkarte herausstellte: einer von den neuartigen elektronisch lesbaren Hotelschlüsseln. Aus Sicherheitsgründen stand keine Zimmernummer darauf – das war schließlich auch der Clou an dem Ganzen: Hoteldiebe sollten keine Chance mehr haben. Aber immerhin wies die Karte das Logo des Hotels National auf.
    »Wo finde ich ein Telefon?« fragte der Inspektor.
    Wäre nicht August gewesen, Mr. Benny Svenson, der Geschäftsführer des National, wäre zu Hause geblieben. Aber erstens wimmelte es in diesem Monat von Touristen, und außerdem hatten sich zwei Mitglieder der Belegschaft wegen Sommergrippe krankschreiben lassen.
    Svenson saß daher um diese späte Stunde ioch in seinem Büro, als die Telefonistin meldete: »Polizei, Mr. Svenson.«
    Er ließ das Gespräch durchstellen. »Ja?«
    »Spreche ich mit dem Geschäftsführer?«
    »Ja, Svenson am Apparat. Wer sind Sie?«
    »Inspektor Lopatin, Morddezernat der Moskauer Miliz.«
    Morddezernat! Svenson gefror das Blut in den Adern.
    »Halten sich in Ihrem Hotel derzeit britische Touristen auf?«
    »Selbstverständlich. Mindestens ein Dutzend. Warum?«
    »Sagt Ihnen diese Beschreibung etwas? Einssiebzig groß, kurzes rotblondes Haar, rotblonder Bart, dunkelblaues zweireihiges Sakko, Krawatte mit gräßlichen Streifen.«
    Svenson schloß die Augen und schluckte. O nein! Das konnte nur Mr. Jefferson sein. Der Mann war ihm erst diesen Abend in der Lobby über den Weg gelaufen. Er hatte auf einen Wagen gewartet.
    »Warum wollen Sie das wissen?«
    »Er ist überfallen worden. Jetzt liegt er im Botkin. Kennen Sie das? Ganz in der Nähe des Hippodroms.«
    »Ja, natürlich. Aber Sie haben etwas von Morddezernat gesagt.«
    »Er ist leider tot. Seine Brieftasche und sämtliche Papiere sind anscheinend gestohlen worden, aber wir konnten eine Chipkarte mit Ihrem Logo sicherstellen.«
    »Warten Sie bitte auf mich, Inspektor. Ich komme sofort.«
    Gelähmt vor Entsetzen blieb Svenson mehrere Minuten an seinem Schreibtisch sitzen. Seit zwanzig Jahren arbeitete er im Hotelgewerbe, und noch nie war einer seiner Gäste ermordet worden!
    Svenson, der in seiner Freizeit nur eine Leidenschaft kannte, Bridge, mußte unwillkürlich an einen seiner Mitspieler denken, der der britischen Botschaft angehörte. Vielleicht wußte er Rat. Die Privatnummer des Diplomaten stand in seinem Adreßbuch.
    Es war kurz vor Mitternacht, und der Mann hatte bereits geschlafen. Doch als er die Nachricht hörte, war er mit einem Schlag hellwach.
    »Mein Gott, Benny! Der Journalist, der ür den
Telegraph
schreibt? Wußte gar nicht, daß er in der Stadt war. Aber vielen Dank.«
    Das wird einen Aufruhr geben, dachte der Diplomat beim Auflegen. Natürlich schaltete sich automatisch das Konsulat ein, wenn es im Ausland Ärger um britische Staatsangehörige gab – egal, ob tot oder am Leben. In diesem Fall hatte er jedoch das Gefühl, er müsse sofort jemand anderen informieren. So rief er Jock Macdonald an.
Moskau, Juni 1988
    Waleri Kruglow war nun schon seit zehn Monaten wieder zu Hause. Bei neu im Ausland angeworbenen Informanten bestand immer die Gefahr, daß sie es sich nach ihrer Rückkehr doch wieder anders überlegten, den Kontakt einschlafen ließen und die Codes, die unsichtbare Tinte und die Papiere, die sie bekommen hatten, zerstörten.
    Die jeweilige Stelle, die sie rekrutiert hatte, konnte nichts unternehmen, es sei denn, sie denunzierte sie, was freilich nichts als eine grausame Rache wäre, die niemandem etwas brächte. Die Bekämpfung eines tyrannischen Systems von innen erforderte starke Nerven, die nicht jedermanns Sache waren.
    Wie alle seine Kollegen in Langley sah Monk einen gewaltigen Unterschied zwischen Regimegegnern in Moskau und amerikanischen Verrätern. Letztere übten Verrat am gesamten amerikanischen Volk und seiner demokratisch gewählten Regierung. Auch wenn sie ertappt wurden, waren ihnen eine menschenwürdige Behandlung, ein faires Verfahren und der beste Anwalt, den sie finden konnten, sicher.
    Ein Russe dagegen bekämpfte brutale Despoten, die allenfalls zehn Prozent der Bevölkerung vertraten und die übrigen neunzig in

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