Das Schwarze Weib
gehört, wenigstens nichts davon verstanden. Sie sprachen nicht viel bei der Arbeit. Gersbacher hatte, Umschau haltend, einmal geäußert: »Was denkst du, Chrischtoph? auf einen Dreiviertelherbst kann man heuer doch wohl rechnen?«
»Ein bißchen hochgegriffen,« meinte Christoph; »auf Zweidrittel möcht ich ihn schätzen und bin auch damit schon zufrieden.«
»Nein, ist zu niedrig taxiert,« bestand Gersbacher auf seinem Ausspruch, von dem er, auch in anderen Dingen, nicht leicht etwas zurücknahm. »Aber wir wollen auch nicht wünschen,« fügte er hinzu, »daß es einmal einen Herbst gibt, wo das Faß mehr gilt als der Wein.«
»Das haben wir in unsern guten pfälzer Lagen nicht zu fürchten,« sagte der Bürgermeister. »Es sei denn, daß Lutz Hebenstreit mit seinen Preisen stark aufschlüge, und tut er das, so weiß ich auch, wer daran schuld ist.«
»Hat er dich warten lassen?« lachte Gersbacher.
»Lange genug, wie immer, wenn du ihm auf dem Nacken sitzt.«
»Na, nichts für ungut, Chrischtoph!«
Christoph schüttelte, und sie schwiegen wieder und schnitten eifrig weiter.
Zur Mittagszeit wurde eine kurze Schicht gemacht, und die beiden Familien lagerten sich im Kreise, um gemeinschaftlich das ihnen aus der Armbruster'schen Küche herausgesandte Essen einzunehmen, wonach sie die Lese wieder fortsetzten, die ja noch mehrere Tage emsigen Schaffens bedurfte, bis sie mit einer kleinen Festlichkeit im Hause ihren Abschluß fand. Aber auch schon die Einbringung der ersten Fuhre Trauben am Abend hatte etwas gewissermaßen Feierliches, das sich in den frohen Mienen der sie zur Stadt Geleitenden spiegelte, während sie munter plaudernd rechts und links daneben herschritten. Ammerie aber, einen Kranz von Rebenlaub ums Haupt geflochten, hatte sich vorn auf den Wagen geschwungen und stand dort als hübsche, züchtig gekleidete Bacchantin, eine der den Triumphzug des Dionysos hochgeschürzt Umschwärmenden, von deren jauchzendem Evoe und ausgelassenen Tänzen das einfache Bauernkind freilich nichts wußte.
Viertes Kapitel.
Ausgangs Oktober war die Lese im pfälzer Weingebiet beendet und hatte einen über Erwarten guten Herbst geliefert. Nun begann nach dem Keltern der Trauben die Kellerarbeit, das Ab- und Umfüllen aus einem Faß in das andere und das Klären des Mostes, der in seinen hölzernen Banden gärte und brauste. Dabei hatte jeder Winzer mit dem eigenen Gewächs alle Hände voll zu tun und kümmerte sich nicht darum, wie den anderen das ihrige geriet. Trotzdem stellte sich eines Tages Franz Gersbacher auf dem Abtshofe ein, um sich nach dem Werden des Armbruster'schen Neuen zu erkundigen.
Sonderbar! Er, der beim Lesen im Wingert ein unfehlbares Mittel zur Schätzung des künftigen Weines auf dem lockenden Umwege über einen Mädchenmund angegeben hatte, er wußte recht gut, daß man sich vor frühestens Weihnachten kein Urteil darüber bilden konnte. Und dennoch kam er unter diesem Vorwande und traf zu seiner Freude die beiden Mädchen allein.
»Hmhm!« machte Ammerie mit einem pfiffigen Schmunzeln, nachdem er seine Frage etwas unsicher vorgebracht hatte, »so ungeduldig auf die Bonität des Neuen bist du ja noch niemals gewesen. Fertig hexen können wir auch nicht, was seine Zeit und Weile haben will. Hat dir denn euer Most schon etwas über seine hoffnungsvolle Zukunft verraten?«
»Das nicht,« erwiderte er, »aber ich dachte mir, ich könnte vielleicht hier bei euch was lernen. Vielleicht behandelt man ihn im Würzburgischen auf eine andere, uns noch unbekannte Weise.«
»Ach so! im Würzburgischen,« lachte sie, »und da möchtest du wieder bei Trudi in die Schule gehen. Nun, Trudi, was sagst du dazu? willst du dem Franz diesmal besser auf die Sprünge helfen als bei seinem ersten, mißlungenen Probierversuche mit dir? Wird im Würzburgischen beim Klären vielleicht manchmal gek—?«
»Gekünstelt, meinst du?« fiel Trudi mit brennenden Wangen schnell ein, »o nein, niemals. Wir kennen auch kein anderes Verfahren dabei als hier zu Lande gang und gäbe ist.«
»Wirklich nicht?«
»Nein, aber ich glaube, wir haben dort einen ebenso geübten Geschmacksinn wie ihr; nur wollen wir nicht fürwitzig etwas vorwegnehmen, was uns der Wein noch nicht zu kosten geben kann, sondern warten ruhig ab, was draus werden will.«
»Da hast du's!« spottete Ammerie. »Ja, die Würzburger sind kluge Leut und lassen sich auch vom verwogensten Pfälzer nichts abluchsen.«
Die Mädchen standen wie zu Schutz und
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