Das Schwarze Weib
schwermütigen Ernste Platz gemacht.
In Gegenwart der Hausgenossen beherrschte sie sich und zwang sich zu einer Heiterkeit, an der ihr Inneres keinen Anteil hatte. Nur Ammerie gegenüber gab sie sich keine Mühe, zu scheinen, was sie nicht war, und der in ihrer Heimlichkeit zwar durch kein offenes Geständnis, aber durch manches auf neckische Anspielungen ihr zufällig entschlüpfte Wort schon ziemlich Eingeweihten blieb Trudis bedrückter Gemütszustand nicht lange verborgen. Endlich hielt die ein rückhaltloses Vertrauen unter Freundinnen Verlangende das hartnäckige Schweigen der anderen nicht mehr aus und wollte wissen, was es zwischen Franz und Trudi gegeben hatte. Denn daß nur Franz der Urheber von Trudis Kummer war, stand für sie so fest wie daß fließendes Wasser und eine rollende Kugel nicht bergauf, sondern bergunter laufen.
Als die beiden Mädchen einmal, mit einer Handarbeit beschäftigt, in ihrem Zimmer allein saßen und Trudis Brust ein hörbar tiefer Atemzug hob und senkte, fing Ammerie unvermittelt an: »Wie lange ist es denn her, daß du ihn nicht gesehen und gesprochen hast?«
Trudi ließ die Hände in den Schoß sinken und starrte die ihre Sorgen Erratende verdutzt an, aber die heuchelnde Frage: wen meinst du denn? brachte sie nicht über die Lippen: »Ach, es können Wochen her sein,« sprach sie traurig.
»Und warum kommt er nicht?«
»Ich weiß es nicht,« hauchte Trudi.
»Ihr habt also keinen Streit miteinander gehabt?«
»Nein, niemals.«
»Ja, hast du denn gar keine Vermutung, weshalb er sich von dir zurückhält?«
»Doch, eine, und die stützt sich auf eine Mitteilung, die du mir früher einmal gemacht hast.«
»Nun?«
»Er wird die Jakobine heiraten wollen oder müssen.«
»Wollen sicher nicht!« behauptete Ammerie mit aller Entschiedenheit. »Du hast es doch oft genug mit angesehen, wie wegwerfend er Jakobine behandelte. Und von müssen kann auch keine Rede sein. Wer will ihn dazu zwingen? Das kann auch sein Vater nicht.«
»Vielleicht bedarf es dazu keines großen Zwanges,« erwiderte Trudi bitteren Tones. »Jakobine ist ein reiches Mädchen, und ich bin bettelarm.«
»So!« versetzte Ammerie, »was du doch für Grillen fängst! Ob reich oder arm, liebe Trudi, das ist Franz keinen Pfifferling wert. Dem darfst du eine so niedrige Gesinnung nicht zutrauen, daß er nur nach Geld freien sollte. Das täte er nun und nimmermehr, auch wenn nicht das Bild einer gewissen anderen in seinem Herzen wohnte.«
»Bist du dessen so gewiß, daß mein Bild in seinem Herzen wohnt?«
»Du etwa nicht?« fragte Ammerie.
»Hab's auch einmal geglaubt, – jetzt kann ich es nicht mehr,« sprach Trudi mit Tränen in den Augen.
»Aber Trudi!« rief Ammerie, »soll ich dir die Beweise dafür an den Fingern herzählen? Erinnere dich doch an die Lesen in den Wingerten, an unsere Tanzstunden hier oben auf dem Söller, an die lustigen Spinnstuben, an Franzens Besuche hier bei uns, wo er manchmal mit pochendem Herzen wie ein verängstigter Schulbube vor dir stand und kaum einen vernünftigen Satz hervorstottern konnte. Wie du da noch an seiner Liebe zweifeln kannst, begreif ich nicht.«
Diese Vorhaltungen verfehlten ihres Eindruckes auf Trudi nicht, und schon viel gefaßter sagte sie: »Ja, dann gib du mir doch einen Beweggrund für sein Ausbleiben an, wenn du einen finden kannst.«
»Ich weiß freilich auch keinen,« mußte Ammerie bekennen. »Möglich, daß bei Gersbachers etwas vorgefallen ist, was Franz nötigt, unser Haus eine Zeitlang zu meiden, vielleicht eine Mißhelligkeit zwischen dem alten Grobian und meinem Vater, die erst beigelegt werden muß, ehe sie wieder freundschaftlich mit uns verkehren können. Soll ich mal hingehen zu ihnen und mit meiner berühmten Schlauheit leise auf den Busch klopfen, um zu sehen und zu hören, wie Hase da läuft?«
»Nein, das sollst du nicht!« fiel Trudi schnell ein. »Dein leises Aufdenbuschklopfen, das ich mir lebhaft vorstellen kann, würde die Spannung nur noch verschärfen, und ich will nicht, daß du dir meinetwegen Ungelegenheiten in deiner Verwandtschaft machst.«
»Ach was, Ungelegenheiten! da frag ich den Kuckuck danach,« wetterte Ammerie. »Macht denn Franz dir keine Ungelegenheiten mit seinem dummen Mucken und Bösetun? Aber nimm ihn dir doch selber vor, daß er mit der Sprache herausrückt.«
»Nein, das kann ich nicht, und das tu ich nicht, um alles in der Welt nicht,« erklärte Trudi.
»Nun dann werd ich ihn fragen; ich kann das
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