Das Schwarze Weib
und auch Kaspar klagte nicht, sondern war ganz aus dem Häuschen; er hatte ja seinen lieben Patz gerettet, und ihn, ihn hatte Trudi gerettet. Hätte ihn der eine bepflasterte Arm nicht gehindert, so hätte er vor Freuden Rad geschlagen, was er so gern tat, oft gefolgt und umschwärmt von einem ganzen Rudel junger Radschläger, welche dieses wie manches andere Kunststück von ihm gelernt hatten.
Zwei Menschen aber, Franz und Trudi, waren, wenn auch getrennt voneinander, ein Herz und eine Seele, denn nun wußten sie beide, daß sie sich liebten. Franz hatte die Probe, auf die ihn Ammerie, allerdings nicht auf eine solche, bei der's ums Leben ging, stellen wollte, glänzend bestanden; es war eine Feuerprobe gewesen. –
Die aufopferungsvolle Tat Trudis bildete nun den Gegenstand des allgemeinen Stadtgespräches, und Franzens entschlossenes Eingreifen, ohne welches Trudi und Kaspar verloren gewesen wären, kam erst in zweiter Reihe zur Geltung. Daß ein baumstarker Mann einem schönen Mädchen in Todesnot beisprang, verstand sich ja von selbst, obschon ihn manche darum beneiden mochten, daß er als erster und einziger aller Augenzeugen das Wagestück unternommen und es so unerschrocken durchgeführt hatte. Aber daß ein Mädchen, die Nichte des Bürgermeisters, einen vierzehnjährigen Jungen, den Enkel eines alten Landstreichers, mit ihrem Leibe vor Flammen und stürzenden Balken deckte und ihm damit das Leben rettete, das war gar nicht hoch genug anzuschlagen Und das hatte die Fremde getan, die Würzburgische! ihr Lob und Preis verkündeten alle Zungen, pfiffen die Spatzen von allen Dächern. Alt und jung fragte nach ihrem Ergehen, und später, als sie wieder fähig war, Besuche zu empfangen, kamen fast alle die Frauen und Mädchen, die sie in den Spinnstuben kennen gelernt hatten, und drückten ihr mit freundlichen Worten ihre Teilnahme und Bewunderung aus.
Auch Schneckenkaschper hatte sich in der Stadt viel Freunde erworben durch seine Gutherzigkeit, daß er, um sein armes, liebes Hundel nicht jämmerlich umkommen zu lassen, furchtlos auf den brennenden Stall losgerannt war.
Trudis sorglichste Pflege nahm natürlich Ammerie in die Hand, dabei von Kaspar auf jede ihm mögliche Weise unermüdlich bedient. Und Patz mußte auch immer mit dabei sein, so wollte es Trudi. Denn er war ja der unschuldige Anstifter der grausigen Gefahr, in der zwei Menschenleben geschwebt hatten, und mithin auch der sich daraus ergebenden Folgen. Wenn Patz nicht eingesperrt gewesen wäre, hätte Kaspar nicht den Ziegenstall gestürmt, wäre Trudi dem Tollkühnen nicht nachgesprungen, hätte Franz sie nicht retten müssen; dem Patz verdankte sie Franzens ersten Kuß.
Ammerie hatte sie einmal, auf dem Rande ihres Bettes sitzend, gefragt, ob sie denn nun an Franzens Liebe glaube. Da hatte ihr Trudi stumm die Hand gedrückt, und ihrer Brust war ein tiefer, großmächtiger Seufzer entquollen, mit dem sich ein ganzer Himmel voll Seligkeit aufgetan hatte. Das war Antwort genug für Ammerie; nun war sie fest überzeugt, daß die beiden sich herzenseinig waren. Es mußte auf dem Wege von der Brandstätte nach dem Abtshofe, während Franz die Gerettete in seinen Armen hatte, eine Verständigung zwischen ihnen stattgefunden haben, bei der wahrscheinlich auch jedes Wort überflüssig gewesen war.
Auch Madlen, die das Bild nicht vergessen konnte, wie Franz die Verwundete getragen brachte, deutete sich deren ruhige Heiterkeit, die sie bei den gewiß noch argen Schmerzen nie verließ, richtig und knüpfte daran die schönsten Hoffnungen auf eine glückliche Zukunft der liebenswürdigen Dulderin an der Seite des Gersbachersohnes, auf den die Bürgermeisterin große Stücke hielt.
Nur einer in der Familie gab den Seinigen etwas zu raten auf, und das war Christoph. Er besuchte Trudi täglich, war gut und freundlich gegen sie, aber auffallend schweigsam und betrachtete sie manchmal mit einem trübsinnigen Blick, als hätte er dabei Hintergedanken, die er nicht aussprechen wollte. Ihn nach der Ursache dieses seltsamen, ihnen unerklärlichen Wesens auszuforschen versuchten sie nicht, weil sie wußten, daß sie mit Fragen nichts aus ihm herausbringen würden, was er ihnen freiwillig zu eröffnen nicht geneigt schien.
Als das Wundfieber längst überstanden war und auch die Schmerzen beträchtlich nachgelassen hatten, verlangte Trudi, Franz zu sprechen, um ihm endlich danken zu können, und bat, ihn herzubescheiden.
Schneckenkaschper wurde mit der Botschaft
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