Das Schwarze Weib
Patz! im Ziegenstall!« schrie Kaspar auf und jagte schnurstracks dahin. »Halt, Kaschpar! zurück!« rief ihm Trudi zu; er hörte jedoch nicht. Da sprang sie ihm nach, um ihn zu greifen. In dem Augenblick aber, als er, von Trudi schon erfaßt, den Stall aufriegelte und der eingesperrte Hund daraus entschlüpfte, stürzte vielleicht durch den starken Ruck beim Aufreißen der von der Hitze eingeklemmten Tür erschüttert, der brennende Dachstuhl mit dem Heuboden ein und begrub beide, Trudi und Kaspar, unter glimmenden Sparren und Balken.
Ein Schreckensruf erscholl aus dem Munde aller, die das sahen und, vor Entsetzen starr, sich nicht vom Flecke rührten. Einer aber brach sich mit wildem Ungestüm Bahn, alles umrennend, was ihm im Wege war. Franz Gersbacher raste dahin, die Verschütteten zu retten, und als sich Jakobine ihm entgegenwarf, um ihn zurückzuhalten, stieß er sie so heftig von sich, daß sie zu Boden fiel. Dann räumte er in bebender Hast die größten Bruchstücke soviel wie nötig beiseite und zog Trudi mit zum äußersten angestrengter Kraft aus dem schwelenden, rauchenden Trümmerhaufen heraus. Die jetzt zu seinem Beistand Herzueilenden wies er mit einem Blick und einer Bewegung zurück, die etwas Herrschsüchtiges und Leidenschaftliches hatten. Auch Kaspar erhob sich schnell und scheinbar nur wenig beschädigt, denn Trudi hatte ihn, halb kniend, halb liegend über ihm, mit ihrem Leibe gedeckt.
Franz trug die Bewußtlose, deren Kleidung stellenweise versengt und durchlöchert war, auf seinen Armen von der Brandstätte weg. Ihr Haupt lag an seiner Schulter, ihr Gesicht war still und bleich. Alle machten ihm schweigend Platz, daß er wie durch eine Gasse schritt, und niemand wagte, ihm seine Hilfe anzubieten und Hand an die zu legen, die er allein einem grauenvollen Tode entrissen hatte und nun auch allein wie eine erkämpfte Siegesbeute in Sicherheit bringen wollte. Ammerie und Kaspar folgten ihm, sich angstvoll durchdrängend. Ammerie schickte den Jungen zum Bader, und da er an den Beinen unversehrt geblieben war, flog er wie der Wind mit seinem muntern Schnauzerl dahin. Sie selber lief, so schnell sie konnte, nach Hause voran, um die Mutter zu benachrichtigen, damit diese nicht zu sehr erschrak, wenn Franz mit seiner lieben und wahrlich nicht leichten Bürde dort ankam.
Jakobine, die im Augenblick der höchsten Gefahr der fürchterliche Gedanke durchzuckt hatte, jetzt vielleicht von der Nebenbuhlerin durch deren Untergang in Flammen befreit zu werden, sah der Geretteten und ihrem Retter mit von Haß entstellten Zügen nach. –
Unweit des Abthofes schlug Trudi die Augen auf und blickte den, in dessen Armen sie sich wie aus einem Traum erwachend wiederfand, erst verwundert, dann aber, trotz heftiger Schmerzen, beseligt an.
Da – es war ganz einsam hier – konnte sich Franz nicht enthalten; er bog sich zu ihr hin und küßte sie auf den Mund.
»Franz!« flüsterte sie mit einem Lächeln voll überschwenglichen Glückes. Und »Trudi! Trudi!« jubelte er, als er den Gegendruck ihrer Lippen gefühlt hatte, wohl wissend, wie sie körperlich leiden mußte.
Im Abtshofe, wo ihn Madlen, Elsbeth und Ammerie schon erwarteten, setzte er die bis hieher Getragene auf die Stufen des Wohnhauses behutsam nieder, und beide waren so erregt, daß sie nicht sprechen konnten; weder Dank noch Frage tauschten sie.
Von den drei Frauen gestützt, vermochte Trudi die Treppe hinaufzugehen und wurde oben in ihrem Zimmer von ihnen entkleidet und zu Bett gebracht. Sie hatte an Nacken, Schultern und Rücken Brandwunden und Beulen, die ihr entsetzliche Qualen bereiteten. Die Sache war indessen verhältnismäßig noch glimpflich abgelaufen, denn keiner der schwersten brennenden Balken hatte Trudi getroffen, und vor dem Ersticken in Rauch und Qualm hatte Franz sie bewahrt.
Bald erschien der Bader, besichtigte die Wunden und erklärte sie für in kurzer Zeit heilbar. Er kühlte sie mit frischen Lattichblättern und Gilgenöl und strich dann eine schmerzlindernde Salbe darauf, was er alles auf Kaspars eiligen Bericht mitgebracht hatte.
Franz und Kaspar blieben unten in der Diele, bis der Bader herabkam, sie von dem Zustand der Leidenden unterrichtete und dann auch den Jungen untersuchte, bei dem er ein paar leichte Quetschungen und einige unbedeutende Brandmale entdeckte, die er gleichfalls mit seiner Salbe behandelte. Franz war vom Anfassen der glimmenden Holzstücke an den Händen verletzt, machte aber nicht viel daraus,
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