Das Schwebebahn-Komplott
herum. »Streng geheim«,
murmelte er und reichte es seinen Mitarbeitern. Stefan beugte sich
weit zu Heike hinüber und versuchte, den Inhalt zu entziffern.
Heikes Augen wurden groß wie Untertassen, als sie den Text
überflog.
An das Team der
Wupperwelle
Wenn Sie verhindern
wollen, dass sich in der nächsten Zeit mehrere tragische
Unfälle im Schwebebahnbetrieb ereignen, dann sollten Sie unser
Anliegen ernst nehmen. Sehr ernst.
Spielberg hatte nichts
anderes als den Tod verdient. Betrachten Sie seinen Tod als
Warnsignal. Er war Abschaum, gerade gut genug, um noch als
schlechtes Beispiel zu dienen. Wenn Sie die Sicherheit der
berühmten Wuppertaler Schwebebahn nicht unnötig
gefährden wollen, dann sorgen Sie dafür, dass Sie
innerhalb der nächsten zwei Tage fünfhunderttausend Euro
auftreiben. Wie wir an das Geld gelangen werden, erfahren Sie
rechtzeitig telefonisch.
Gezeichnet: Bewegung
12. April
»Das ist
unglaublich«, entfuhr es Heike, als sie den Brief an Eckhardt
zurückreichte. Der Name der Unterzeichner stellte einen
Zusammenhang zum tragischsten Schwebebahnunglück aller Zeiten
her! Am 12. April 1999 war die Schwebebahn abgestürzt - hatten
sie jetzt weitere Schicksalsschläge zu erwarten?
Der Chefredakteur
nestelte an seiner Krawatte herum und nickte.
»Allerdings.«
»Sie glauben
also an den direkten Zusammenhang mit dem ermordeten Rolf
Spielberg?«, fragte Stefan und verschränkte die Arme vor
der Brust.
Michael Eckhardt
zuckte mit den Schultern. »Möglicherweise handelt es
sich nur um einen Trittbrettfahrer, dem der Tod Spielbergs sehr
gelegen kam, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, ohne sich
selber die Finger schmutzig zu machen.«
»Wer sagt denn,
dass es definitiv ein Mord war?, mischte sich Stefan ein. Er
musterte erst den Chef, dann Heike. Eckhardt zuckte die Schultern
und warf Heike den Ball zu.
»Der Schuss
könnte auch nach hinten losgehen«, meinte diese.
»Wenn man den Erpresser stellt, wird die Polizei ihn
gleichzeitig mit dem Mord in Verbindung bringen.«
»Es sei
denn«, überlegte Stefan, »es sei denn, man
überführt den Mörder, bevor man den Erpresser
stellt.«
»Die Chancen
stehen denkbar schlecht«, erwiderte Eckhardt
kopfschüttelnd und sprang auf. Er wanderte durch das modern
eingerichtete Büro und trat an das große Fenster.
Scheinbar gedankenverloren starrte er auf die B 7 herab. Weiter
hinten schimmerte das lindgrüne Stahlgerüst der
Schwebebahn im Licht der Sonne. Soeben setzte einer der zahlreichen
Fischreiher zum Landeanflug auf eine Stütze an. Der stolze
Vogel hatte in Wuppertal Einzug gehalten, nachdem der Fischbestand
in der Wupper wieder angestiegen und die Nahrung für die
Reiher gesichert war. Als ein Schwebebahnzug heranrollte, erhob
sich der weißgraue Vogel mit ausladenden
Flügelschlägen in die Luft.
Sie hatten Eckhardt
beobachtet und ahnten, was in ihm vorging. »Wissen die
Fahrgäste, dass die Bahn erpresst wird?«, fragte
Heike.
Eckhardt fuhr herum.
»Natürlich nicht. Und so soll es auch bleiben, um eine
Massenhysterie zu vermeiden. Noch ist niemand in Gefahr, und die
Ermittlungen der Polizei laufen auf Hochtouren.«
»Ist das nicht
unverantwortlich?«, fragte Stefan. »Man sollte den
Bahnbetrieb vorübergehend einstellen.«
Eckhardt musterte ihn
lange. »Damit hätte der Erpresser das erreicht, was er
will: Die Stadtwerke als Betreibergesellschaft der Bahn in die Knie
zu zwingen, um die Eintreibung des Lösegeldes möglichst
schnell durchzuboxen.«
»Aber das Leben
der Menschen, die tagtäglich mit der Schwebebahn
fahren...«
»... ist
definitiv nicht in Gefahr«, nahm der Chefredakteur ihm den
Wind aus den Segeln. »Natürlich habe ich sofort Kontakt
mit der Polizei aufgenommen.« Ein Lächeln huschte um
seine Lippen, bevor er fortfuhr. »Wie Sie wissen, verbindet
mich eine langjährige Freundschaft mit dem Polizeisprecher
Jürgen Küppers. Er hat dafür Sorge getragen, dass
eine Großfahndung nach dem beziehungsweise den Erpressern
eingeleitet wurde. Um Sie zu beruhigen, Frau Göbel: Seit heute
Morgen neun Uhr begleitet mindestens ein in Zivil gekleideter
Polizeibeamte jede Bahn. Sollte etwas Außergewöhnliches
vorfallen, wird sofort Verstärkung angefordert, um den oder
die Täter festzusetzen. Niemand wird so leichtsinnig sein und
sich in die sprichwörtliche Höhle des Löwen
begeben.«
»Wie soll man da
erfahren, wer hinter der Erpressung steckt?«, warf Stefan
ein.
»Das ist Sache
der Polizei«, wich der Chef der
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