Das Schwebebahn-Komplott
links
abzweigenden Seitenstraßen flogen an ihm vorüber. Er
konnte die Straßennamen in der Dunkelheit nur erahnen, und
dennoch wusste er genau, wo er sich befand. Lange genug hatte er
sich hier oben umgesehen.
Nach dem
Wüsterfeld kam die Straße Am Hufeisen, wenige Meter
weiter folgte die Konradswüste - die Straße, nicht der
Wald. Für die schmucken Eigenheime, die kleinen Ein-und
Zweifamilienhäuser, die an ihm vorüberzufliegen schienen,
hatte er kein Auge. Er folgte noch immer der Straße
Konradshöhe, und in wenigen Sekunden würde es zum
Showdown kommen. Ein teuflisches Grinsen huschte um sein Gesicht,
als der Wendehammer in Sichtweite kam. Die Polizisten hinter ihm
frohlockten wohl schon, ihn jetzt in die Sackgasse gescheucht zu
haben.
Pech gehabt. Nun
musste er sich auf das Können der geländegängigen
Kawasaki und sein fahrerisches Talent verlassen.
Den im engen
Wendehammer der Sackgasse geparkten Vectra erkannte er zu
spät. Bevor er reagieren konnte, sprangen zwei zivil
gekleidete Beamte aus dem unauffällig lackierten Fahrzeug und
richteten ihre Schusswaffen auf ihn. Im nächsten Augenblick
sah er schon das Mündungsfeuer in der Dunkelheit aufblitzen.
Sie schossen in die Luft, um ihn einzuschüchtern.
»Nicht mit
mir«, schrie er und zog die Maschine in einem eleganten Bogen
um die beiden Schützen herum. Um ein Haar wäre die
schwere Geländemaschine auf dem nassen Asphalt abgeschmiert.
Er verlagerte sein Gewicht und richtete den Feuerstuhl wieder auf.
Dann endlich hatte er es geschafft. Er raste vorbei an einigen
baufälligen Garagen, geradewegs auf einen schmalen,
unbefestigten Waldweg zu. Rechts ein kleiner Birkenhain, geradeaus
eine kleine Plane. Dann war er alleine. Allein mit sich und seinem
Motorrad. Und der halben Million im Gepäckkoffer. Wie er
wusste, gehörte dieses weitläufige Gelände zum
Truppenübungsplatz der Bundeswehr. Wo sich sonst allein Panzer
und Unimogs durch den Morast ackerten, hatten sie mit ihren
Zivilkisten keine Chance. Hierher würden sie ihm mit den Autos
nicht folgen können.
Er fühlte sich,
als würde er fliegen.
Endlich war er frei.
Er musste nur noch sein Ziel erreichen, um endgültig
untertauchen zu können. Das war ein Kinderspiel.
*
»Stefan - pass
auf!«
Peters Warnung kam zu
spät. Stefan spürte einen brennenden Schmerz an der
rechten Schulter, fühlte sich wie gelähmt und brachte nur
ein heiseres Krächzen über die Lippen, bevor er taumelnd
zu Boden glitt und sich zwischen Bergen von Unrat
wiederfand.
Der Sturz war
unerwartet hart.
»Oh,
Scheiße.« Es war eine weibliche Stimme, wie Stefan
verdutzt feststellte. Er kannte keine Frau, die derart gezielt und
wuchtig zuschlagen konnte. Oder doch?
»Mein Gott,
Stefan, das tut mir Leid.«
»Heike«,
murmelte er benommen und stemmte sich in die
Höhe.
»Ich wusste doch
nicht, dass du ... ich meine, dass ihr, also, wenn ihr euch vorher
gemeldet hättet, dann ... Hallo Peter.« Heike zog ihren
Bruder in den Raum. Als Stefan sich leicht benommen aufgerappelt
hatte, fiel sie ihm stürmisch um den Hals. Was zunächst
wie eine zweite Attacke ausgesehen hatte, entwickelte sich durch
die anhaltende Umarmung zu einer Innigkeit, bei der einer der drei
Anwesenden sich durchaus fehl am Platze vorkam. Peter
räusperte sich vernehmlich und die beiden lösten sich
voneinander. Im Halbdunkel des Raumes huschten Heikes Blicke
zwischen Peter und Stefan hin und her. »Aber ... wie habt ihr
hergefunden?«
»Das ist eine
lange Geschichte«, erwiderte Stefan, der nun mehr von der
unerwarteten Umarmung als von dem vorherigen Schlag benommen schien
und massierte sich leicht verlegen die schmerzende Schulter.
»Vermutlich ist es besser, wenn wir dir das unterwegs
erzählen. Wer weiß, was die da drüben noch mit dir
Vorhaben.« Mit hastigen Schritten durchquerte Stefan Heikes
Unterkunft und spähte vorsichtig zum Fenster hinaus. Von hier
aus konnte er beobachten, was sich am Haus von Klaus Gembowsky tat.
Noch immer stand das Opel Cabrio in der Einfahrt, doch ansonsten
herrschte völlige Ruhe. Kein Wächter, der um den
baufälligen Kasten herumschlich, um Heike von Fluchtversuchen
abzubringen.
»Axel Grimm ist
hier.« Heike war hinter ihn getreten und deutete auf das
Cabrio des Kollegen. Sie rieb sich die blutunterlaufenen Striemen
an den Handgelenken.
»Ja«,
flüsterte Stefan grimmig. »Das passt gut, denn mit ihm
habe ich noch eine Rechnung zu begleichen. Aber erst mal raus hier,
bevor jemand kommt. Wäre doch
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