Das Schweigen der Laemmer
Tempo zu verlangsa-men.
»Sie sollten irgendwann mal kommen, wenn es hier hell ist, und ihn sich ansehen. Haben ihn im achtzehnten Jahrhundert in Phil-adelphia begraben. Hat sich sofort in Seife verwandelt, als das Grundwasser ihn erreichte.« Der Insektenzoo war ein großer Raum, nun halbdunkel, in dem man Zirpen und Schwirren vernahm. Ihn füllten Käfige und Kä-
sten mit lebenden Insekten. Besonders Kinder mochten den Zoo und zogen den ganzen Tag in Scharen hindurch. Nachts, sich selbst überlassen, waren die Insekten emsig. Einige wenige Kä-
sten waren rot beleuchtet, und die Schilder für die Notausgänge brannten grellrot in dem halbdunklen Raum.
»Dr. Pilcher?« rief der Aufseher von der Tür.
»Hier«, sagte Pilcher und hielt eine kleine Stablampe als Lichtsi-gnal hoch.
»Werden Sie diese Dame hinausbringen?«
»Ja, danke, Officer.«
Starling nahm ihre eigene kleine Taschenlampe aus ihrer Tasche und stellte fest, daß sie bereits angeknipst war und daß die Batterien leer waren. Der Ärger, der sie blitzartig durchfuhr, erinnerte sie daran, daß sie müde war. Sie mußte sich anstrengen und sich zusammennehmen.
»Hallo, Officer Starling.«
»Dr. Pilcher.«
»Wie wäre es mit ›Professor Pilcher‹?«
»Sind Sie Professor?«
»Nein, aber ich bin auch kein Doktor. Was ich bin, ist froh, Sie zu sehen. Wollen Sie sich ein paar Insekten ansehen?«
»Sicher. Wo ist Dr. Roden?«
»Er hat in den letzten beiden Nächten einen Großteil des Fortschritts mit Chaetaxie gemacht, und schließlich mußte er sich hin-hauen. Haben Sie das Insekt gesehen, bevor wir mit ihm angefangen haben?«
»Nein.«
»Es war wirklich nur eine weiche Masse.«
»Sie haben es aber, Sie haben es herausbekommen?«
»Ja. Geradeeben.«Er blieb bei einem Drahtkäfig stehen. »Lassen Sie mich Ihnen zuerst einen Schwärmer wie den zeigen, den Sie uns am Montag gebracht haben. Dies ist nicht genau derselbe wie Ihrer, aber die gleiche Familie, eine Eule.« Der Strahl seiner Stablampe fand den großen glänzenden blauen Falter, der mit gefalteten Flü-
geln auf einem kleinen Zweig saß. Pilcher hauchte ihn an, und sofort erschien das grimmige Gesicht einer Eule, als der Falter ihnen flatternd die Unterseiten seiner Flügel entgegenhielt; die Augen-flecke auf den Flügeln funkelten grell wie der letzte Anblick, den eine Ratte je zu Gesicht bekommt. »Dieser hier ist Caligo beltrao -
ziemlich gemein. Mit diesem Klaus-Exemplar jedoch müssen wir uns ganz spezie llen Nachtfaltern zuwenden. Kommen Sie.«
Am Ende des Raums stand ein in einer Nische zurückgesetzter Kasten mit einem Geländer davor. Der Kasten war außer Reichweite von Kindern und mit einem Tuch bedeckt. Neben ihm summte ein kleiner Luftbefeuchter.
»Wir halten ihn hinter Glas, um die Finger der Leute zu schützen - er kann kämpfen. Er mag auch Feuchtigkeit, und Glas bewahrt die Feuchtigkeit im Innern.« Vorsichtig hob Pilcher den Käfig an seinen Griffen hoch und brachte ihn nach vorn in die Nische. Er nahm den Überzug ab und schaltete ein kleines Licht über dem Käfig an.
»Dies ist der Totenkopf«, sagte er. »Er sitzt da auf Nachtschatten - wir hoffen, daß er legen wird.«
Der Falter war wunderschön und schrecklich anzusehen, seine großen braunschwarzen Flügel wie ein Umhang, und auf seinem breiten pelzigen Rücken die markante Zeichnung, die bei Menschen seit jeher Furcht hervorgerufen hat, wenn sie ihr unvermutet in ihren glücklichen Gärten begegnet sind. Der kuppelartig geformte Schädel, ein Schädel, der zugleich Totenkopf und Gesicht ist, der aus seinen dunklen Augen herausschaut, die Backenknochen, der Jochbogen äußerst fein neben den Augen gezeichnet,
»Acherontia styx«, sagte Pilcher. »Sie ist nach zwei Flüssen in der Unterwelt benannt. Ihr Mann, er wirft die Leichen jedesmal in einen Fluß - habe ich gelesen.«
»Ja«, erwiderte Starling. »Ist er selten?«
»In diesem Teil der Welt, ja. In der Natur bei uns gibt es überhaupt keine.«
»Woher kommt er?« Starling drückte das Gesicht dicht gegen das Drahtdach des Kastens. Ihr Atem bewegte den Pelz auf dem Rücken des Schwärmers. Sie fuhr zurück, als er einen schwachen Laut von sich gab und heftig mit den Flügeln schlug. Sie konnte die winzige Brise spüren, die das verursachte.
»Malaysia. Es gibt auch einen europäischen Typus namens atro-pos, doch dieser hier und der in Klaus' Mund sind malaysisch.« »Also hat irgend jemand ihn gezüchtet.«
Pilcher nickte. »Ja«, sagte er,
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