Das Schweigen der Laemmer
großen Kreis und warf ihn senkrecht nach oben zu der schwachen Lichtscheibe über sich.
Der Plastikeimer verfehlte die offene Luke, traf die Unterseite des Deckels und fiel zurück, sie im Gesicht und an der Schulter treffend. Der kleine Hund bellte lauter.
Sie nahm sich die Zeit, die Schnur auszulegen und ein zweites und dann ein drittes Mal hochzuwerfen. Beim dritten Wurf traf der Eimer beim Herunterfallen ihren gebrochenen Finger, und sie mußte sich gegen die nach innen abschrägende Wand lehnen und durchatmen, bis die Übelkeit verging. Wurf vier knallte auf sie hinunter, fünf aber nicht. Er war draußen. Der Eimer war irgendwo auf dem Holzdeckel neben der offenen Klappe. Wie weit vom Loch? Ruhig Blut! Sie zog sacht. Sie zupfte an der Schnur und hörte, wie der Eimerhenkel gegen das Holz über ihr schepperte.
Der kleine Hund bellte lauter.
Sie durfte den Eimer nicht über den Rand des Lochs ziehen, aber sie mußte ihn dicht heranziehen. Sie zog ihn dicht heran.
Der kleine Hund zwischen den Spiegeln und den Kleiderpup-pen in einem nahen Kellerraum. An den Fäden und Stoffschnip-seln unter der Nähmaschine schnuppernd. In dem großen schwarzen Schrank herumschnüffelnd. Zum Ende des Kellers hinschauend, wo die Geräusche herkamen. Zum düsteren Teil hinrennend, um zu bellen, und wieder zurückrennend.
Nun eine Stimme, die leise durch den Keller hallte.
»Preeeee-cious.«
Der kleine Hund bellte und hüpfte auf der Stelle. Sein kleiner dicker Körper erzitterte beim Kläffen.
Nun ein nasses schmatzendes Geräusch.
Der Hund sah zu dem Küchenboden oben hoch, aber das Ge-räusch kam nicht von dort.
Ein Schmatz-schmatz-Geräusch wie Fressen. »Na komm, Precious. Komm schon, Schätzchen.«
Auf Zehenspitzen, die Ohren gestellt, lief der Hund in die Dü-
sterheit.
Schlürf-schlürf. »Komm, Schätzelchen, na komm, Precious.«
Der Pudel konnte den an den Eimerhenkel gebundenen Hühnerknochen riechen. Er kratzte an der Seite des Brunnens und winselte.
Schmatz-schmatz-schmatz.
Der kleine Pudel sprang auf den Holzdeckel des Brunnens hoch. Der Geruch war hier, zwischen dem Eimer und dem Loch.
Der kleine Hund kläffte den Eimer an, winselte vor Unentschlos-senheit. Der Hühnerknochen zuckte kaum merklich.
Der Pudel kauerte sich mit der Schnauze zwischen den Vorder-pfoten hin, den Hintern in der Luft, wild mit dem Schwanz we-delnd. Er bellte zweimal, stürzte sich auf den Hühnerknochen und packte ihn mit den Zähnen. Der Eimer schien zu versuchen, den kleinen Hund vom Hühnchen wegzuschubsen. Der Pudel knurrte den Eimer an, ließ nicht locker und setzte sich rittlings auf den Griff, die Zähne fest um den Knochen. Auf einmal stieß der Eimer den Pudel um, von seinen Füßen, schob ihn, er mühte sich zappelnd ab, wieder auf die Beine zu kommen, fiel erneut um, er kämpfte mit dem Eimer, ein Hinterbein und eine Hinterbacke rutschten ins Loch ab, seine Krallen scharrten wie wild am Holz, der Eimer am Gleiten, sich mit dem Hinterteil des Hunds im Loch festklemmend, und der kleine Hund riß sich los, wobei der Eimer über den Rand rutschte und fiel, der Eimer entschwand das Loch hinunter mit dem Hühnerknochen. Der Pudel bellte ärgerlich ins Loch, und das Kläffen hallte den Brunnen hinunter. Dann hörte er auf zu bellen und legte bei einem Geräusch, das nur er hören konnte, den Kopf schräg. Er kletterte oben vom Brunnen herunter und lief jaulend die Treppen hinauf, als irgendwo oben eine Tür zuschlug.
Heiß liefen Catherine Baker Martin die Tränen über die Wangen, tropften, zupften vorn an ihrem Overall, weichten durch, warm auf ihren Brüsten, und sie war überzeugt, daß sie ganz bestimmt sterben würde.
42. Kapitel
Mit tief in die Taschen gestopften Händen stand Crawford allein in der Mitte seines Arbeitszimmers. Er stand da von 0:30 bis 0:33
Uhr und wartete auf eine Idee. Dann schickte er ein Fernschreiben an die Fahrzeugregistrierstelle Kalifornien mit der Bitte, das Wohnmobil aufzuspüren, das Raspail laut Dr. Lecter in Kalifornien gekauft hatte, dasjenige, das Raspail für seine Romanze mit Klaus benutzte. Crawford bat die Registrierstelle, Strafzettel zu überprüfen, die auf einen anderen Fahrer als Benjamin Raspail ausgestellt waren.
Dann setzte er sich mit einer Cliptafel auf das Sofa und arbeitete eine provozierende Privatanzeige aus, die in den größeren Tages-zeitungen erscheinen sollte:
Junoeske weiche Passionsblume, 21, Model, sucht Mann, der Qualität UND Quantität schätzt.
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